Politisches Leerstück

„Spiele der Macht“ (ARD, 20.15 Uhr) huldigt lahm der Kanzler-Demokratie. Mit echter Politik hat das so viel zu tun wie „Sabine Christiansen“

VON HANNAH PILARCZYK

Vielleicht sähe unser Land tatsächlich anders aus, wenn am Ende des Ersten Weltkriegs ein Fritz Eberhardt Vorsitzender der SPD und erster Reichspräsident geworden wäre. Vielleicht würde sich der aktuelle Kanzler dann tatsächlich abrupt aus dem tagespolitischen Geschäft zurückziehen, um auf dem Landsitz der Fritz-Eberhardt-Stiftung über Sinnfragen nachzudenken. Und vielleicht würde dann tatsächlich eine Politik-Professorin direkt aus einem ARD-Polittalk zur Kanzlerberaterin aufsteigen. Zum Glück machte aber Friedrich Ebert 1919 das Rennen – und zum Glück sieht Bundespolitik ganz anders aus, als es der ARD-Spielfilm „Spiele der Macht“ glauben machen will.

Manfred Zapatka spielt den visionären Kanzler, der sich entnervt von den Intrigen seiner Parteifreunde ins Gästehaus der Parteistiftung verabschiedet, um dort zu überlegen, ob und wie er seine umstrittene Reformpolitik fortsetzen kann. Inspiration und Unterstützung erhofft er sich dabei von Sara Kadow (Martina Gedeck), einer Politologin, die er in einer Talkshow kennen gelernt hat. Kadow reizt die Macht als Kanzlerberaterin, sie steht hinter den Reformbestrebungen des amtsmüden Regierungschefs. Doch ihr fehlt das letzte Vertrauen in die Politik: Ist der Kanzler wirklich an der lückenlosen Aufklärung einer Spendenaffäre interessiert? Und welche Rolle spielt ihr Exliebhaber Stefan Kronsberg (Axel Milberg), Pressereferent im Kanzleramt, bei den Umsturzplänen vom Kanzleramtschef?

Aus dieser Konstellation heraus versucht Regisseur Markus Imboden ein feines Beziehungsnetz aus Intrigen, Illusionen und Ambitionen zu spinnen, mit dem er die Stimmung in der Hauptstadt einfangen will – ein „Film über die politische Lethargie in diesem (unserem) Land“ sollte „Spiele der Macht“ laut Imboden werden. Das ist ihm eher unfreiwillig gelungen. Aus ein wenig Max Weber und viel „Sabine Christiansen“ hat er einen Film zusammengestückelt, der nur die banale Seite von Politik zeigt. Von den atemlosen Momenten, in denen Überzeugung und Strategie, System und Individuum aufeinander prallen – keine Spur. Spannungs- und aussagelos eiert der Film herum. Noch nicht mal großartige Schauspieler wie Zapatka oder Gedeck können das ändern, schließlich lässt das Drehbuch sie Sätze wie „Die Opposition wittert Morgenluft“ sagen. Immerhin: Als Teil des Fernsehtrends Kanzlerfilme sagt „Spiele der Macht“ doch etwas über die (Selbst-)Inszenierung der Berliner Republik aus.

Der erste Kanzlerfilm, die gelungene Boulevard-Komödie „Küss mich, Kanzler“ mit Robert Atzorn (auch ARD), spiegelte noch den fröhlich-frivolen Regierungsstil eines Kanzlers wider, der mit „Hol mir mal ’ne Flasche Bier“ einen Nummer-eins-Hit hatte. „Spiele der Macht“ zeigt nun die Vereinfachungs- und Verflachungsmechanismen einer Medienrepublik, in der Talkshows mittlerweile als Ersatzparlamente gelten. Obwohl von so unterschiedlicher Qualität, haben aber beide Filme das dramatische Potenzial, das die Politik zweifellos bietet, noch nicht ausgeschöpft. Das verspricht erst die ZDF-Serie „Kanzleramt“, die am 9. März startet.

Mit Klaus J. Behrendt als Kanzler sowie Robert Atzorn, Rita Russek und Claudia Michelsen in weiteren tragenden Rollen kann die Serie nicht nur ein exzellentes Ensemble aufbieten, sondern verfügt mit Hans-Christoph Blumenberg und dem Politjournalisten Martin E. Süskind auch über ein Autorenteam, das sich sowohl in Fernseh- als auch Politdrama auskennt. Gemeinsam haben sie eine Serie entwickelt, in der sich der Streit um die Steuerreform und die Nöte des allein erziehenden Kanzlers ergänzen. Nach zwei mehr und weniger gelungenen Versuchen scheint das deutsche Fernsehen endlich das hinzubekommen, was das US-amerikanische TV mit „West Wing“ schon längst geschafft hat: die große Koalition von Unterhaltung und Anspruch.