Arbeitslose sind billiger als erwartet

Hans Eichel spart eine Milliarde Euro: Die Bundesagentur für Arbeit hat ihren Etat für Weiterbildung 2004 nicht aufgebraucht. Wie sich aber Hartz IV auf den Haushalt auswirkt, ist ungewiss. Denn mehr Menschen als vermutet erhalten Geld vom Staat

AUS BERLIN ULRIKE HERRMANN

SPD-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement ist wie immer optimistisch: Auch gestern sah er wieder eine „Trendwende“ am Arbeitsmarkt – diesmal allerdings erst für 2006. Noch vor einem Monat hatte er diese Trendwende für 2005 prognostiziert. Vor zwei Jahren hatte er den Aufschwung am Arbeitsmarkt sogar schon für 2004 vorhergesehen.

Ökonomisch läuft es tatsächlich gar nicht schlecht: Die Wirtschaft ist im vergangenen Jahr nominal um etwa 1,8 Prozent gewachsen. Trotzdem stieg die Zahl der Arbeitslosen: Wie die Bundesagentur für Arbeit gestern bekannt gab, waren im Dezember 149.200 mehr Menschen arbeitslos gemeldet als ein Jahr zuvor. Die Arbeitslosenquote beträgt nun bundesweit 10,8 Prozent, das sind fast 4,5 Millionen Menschen.

Doch auch diese Zahlen zeichnen ein noch zu freundliches Bild, wie die Bundesagentur selbst hervorhebt: „Der Einsatz der arbeitsmarktpolitischen Instrumente hat den Anstieg der Arbeitslosigkeit 2004 begrenzt.“ 1,32 Millionen Menschen nahmen an diversen Maßnahmen teil und tauchen deswegen gar nicht erst in der Statistik auf – das waren 100.000 mehr als noch ein Jahr zuvor.

Vor allem die Ich-AGs und das Überbrückungsgeld haben die Daten geschönt. Mehr als 300.000 Arbeitslose machten sich selbstständig. Hinzu kamen im letzten Quartal noch die ersten 1-Euro-Jobs. Die klassische berufliche Weiterbildung ging stattdessen weiter zurück: Es werden nur noch Programme gefördert, die eine 70-prozentige Eingliederungsquote bei den Teilnehmern nachweisen.

Erfreulicher Effekt für Finanzminister Hans Eichel: Die Bundesagentur hat ihren Bundeszuschuss nicht ausgeschöpft, weil sie an der Weiterbildung gespart hat. Statt der genehmigten 5,2 Milliarden Euro benötigte sie nur 4,2 Milliarden im Haushaltsjahr 2004. Allerdings war die steuerfinanzierte Arbeitslosenhilfe teurer als erwartet; sie betrug schließlich 18,8 Milliarden Euro, weil die Zahl der Empfänger innerhalb eines Jahres um etwa 200.000 Personen gestiegen ist.

Die große Rätselfrage ist nun, wie sich die Arbeitsmarktreformen Hartz IV finanziell auswirken, die seit dem 1. Januar gelten. Eine erste Prognose hat sich schon als falsch erwiesen: Noch im Herbst nahm die Bundesagentur an, dass künftig fast ein Viertel aller Arbeitslosenhilfe-Empfänger keinen Anspruch auf Leistungen mehr haben würde, weil ihr Vermögen oder das Einkommen des Partners über den Höchstgrenzen liegen. Doch tatsächlich wurden bisher nur 6,5 Prozent der Anträge abgelehnt; weitere 5 Prozent der Betroffenen haben ihren Antrag nicht zurückgeschickt.

Muss Finanzminister Eichel nun zusätzliche Milliarden bereit halten? Das ist seriös nicht zu beantworten. Zwar wurde Anfang Januar das Arbeitslosengeld II erstmals überwiesen – aber niemand weiß bisher, wie viel es in der Summe war. Die Bundesagentur kann erst im Februar eine Statistik erstellen. Dabei wird sie die Informationen ungewohnt mühsam zusammensuchen müssen: 69 Kommunen haben entschieden, „zu optieren“ und ihre Langzeitarbeitslosen allein zu betreuen. Dann wieder gibt es Gemeinden, die zwar mit der Bundesagentur zusammenarbeiten, aber dennoch ihr eigenes Computersystem benutzen.

Nur so viel ist schon deutlich: Auch ein bewilligter Antrag heißt noch lange nicht, dass der Höchstsatz von 311 Euro bei Verheirateten gezahlt wird. Schließlich wird das Partnereinkommen weiter berücksichtigt. Selbst wenn der Finanzminister an mehr Bedürftige zahlt als geplant – der Staat spart noch immer. Nur zur Erinnerung: 2004 betrug die Arbeitslosenhilfe durchschnittlich 526,61 Euro.