schröder und die flut
: Symbolik in der Krisenzeit

Jetzt hat er den Termin im Norden doch noch abgesagt. Dabei wäre der ursprünglich Zeitplan Gerhard Schröders für jeden Politiker sehr verlockend gewesen. Am heutigen Mittwoch will der Kanzler die deutsche Fluthilfe auf eine halbe Milliarde Euro aufstocken, morgen beginnt die Geberkonferenz in der indonesischen Hauptstadt Jakarta – und am Freitag hätte Schröder dann den Wahlkampf seiner Partei in Schleswig-Holstein eröffnet, im Schatten der Deiche sozusagen.

KOMMENTAR VON RALPH BOLLMANN

Nichts fürchtet Schröder aber so sehr wie das Image eines Flutgewinnlers, und deshalb wird er am Freitag nicht nach Neumünster fahren. Das Dumme ist nur: Der Profit, den die SPD aus der Flut und dem Krisenmanagement ihres Spitzenmannes zieht, wird durch die noble Geste nur vergrößert. Dagegen kann sich Schröder gar nicht wehren, auch wenn er es tatsächlich wollen sollte. Was er in dieser Lage auch macht – sofern es das Richtige ist, wird es ihm nützen, und dass er mutwillig das Falsche tut, wird nicht einmal die Opposition von ihm verlangen.

Katastrophen sind immer die Stunde der Regierenden. Die Hamburger Sturmflut machte 1962 den Krisenmanager Helmut Schmidt bundesweit bekannt, bei der Oderflut 1997 profilierte sich Brandenburgs Umweltminister Matthias Platzeck als Deichgraf, und nach den Überschwemmungen in Sachsen gewann Gerhard Schröder 2002 die schon verloren geglaubte Bundestagswahl.

Dabei kann die administrative Krisenbewältigung ohne Spitzenpolitiker unter Umständen genauso gut funktionieren – insofern mag der holländische Innenminister schon Recht haben, wenn er seelenruhig seinen Urlaub im Katastrophengebiet fortsetzt. Aber die Funktion von Politikern liegt auch im Symbolischen. Ihre wichtigste Aufgabe besteht darin, das Publikum zu beruhigen – ob es nun um eine Naturkatastrophe geht oder um die Reform der Sozialsysteme. Jeder Wahlgang ist ein Geschäft auf Gegenseitigkeit, getauscht werden Stimmen gegen das Vertrauen in die Stabilität der Verhältnisse.

In Zeiten von Krisen und Katastrophen ist dieses Bedürfnis größer als sonst. Die Neigung nimmt spürbar ab, eine vertraute Regierung durch eine Opposition zu ersetzen, die ihre Fähigkeiten in der Praxis noch nicht erprobt hat. Zumindest um die Kieler Wahl am 20. Februar muss sich Schröder wohl kaum noch Sorgen machen – nach der Absage seines Wahlkampfauftritts weniger denn je.