Europa ist der Landesregierung nicht viel wert

Nordrhein-Westfalens SPD-Europaminister Wolfram Kuschke startet eine „Aufklärungskampagne“ zur Europäischen Verfassung – mit ganzen 20.000 Euro. Dabei fühlt sich nur jeder Zehnte gut informiert. Opposition: „Unaufrichtig“

DÜSSELDORF taz ■ Ganze 20.000 Euro ist der Landesregierung die Europäische Verfassung wert. Mit dem Kleinstetat will NRW-Europaminister Wolfram Kuschke (SPD) eine Aufklärungskampagne starten – sechs Monate nachdem sich die europäischen Staats- und Regierungschefs auf einen Verfassungsentwurf geeinigt haben. „Nicht einmal jedem Zehnten ist die Europäische Verfassung ein Begriff“, zitiert Kuschke eine aktuelle EU-Umfrage. „Details wurden dabei nicht einmal abgerufen.“

Jetzt sollen eine Info-Veranstaltung im Landtag, ein Schülerwettbewerb und Journalistenseminare in Brüssel für positive Resonanz sorgen – bislang haben nur Litauen und Ungarn den Verfassungsvertrag ratifiziert. Wichtige Mitgliedsstaaten wie Frankreich, Großbritannien und Spanien wollen ihre Bevölkerung abstimmen lassen. In Deutschland soll es dagegen kein Referendum geben – Nordrhein-Westfalens Europaminister vermeidet eine Stellungnahme dazu.

Die Verfassung sei durchweg positiv zu bewerten, lobt Kuschke vorsorglich: Der Ministerrat tage künftig öffentlich. „Das Gefühl der Bürger, nicht zu wissen, was die in Brüssel da eigentlich machen, dürfte damit der Vergangenheit angehören“, hofft der Minister. Die vorgesehene Schaffung des Amts eines europäischen Außenministers führe zu einer Konzentration der bisher zwischen Rat und Kommission geteilten Kompetenz. Besonders wichtig ist Kuschke aber das Europa der Regionen. Die „Regionenblindheit der EU“ werde durch die Verfassung aufgehoben. „Sowohl die Flotte der kommunalen als auch der regionalen Gebietskörperschaften geht damit erstmals offiziell in Brüssel vor Anker“, schwärmt der Sozialdemokrat.

Versuche der SPD-geführten Bundesregierung, den Ländern ihre Mitspracherechte in der gescheiterten Föderalismuskommission abzuhandeln, versucht Kuschke dagegen zu verschweigen – in Brüssel gilt „german vote“, die Stimmenthaltung der gespaltenen Deutschen, immer öfter als Lachnummer. Die Länderkompetenzen sollten deshalb gebündelt und beim Bund konzentriert werden. „Das lehne ich klar ab“, stellt der Minister auf Nachfrage klar. Schließlich gelte das deutsche Föderalismusmodell und das daraus resultierende Europa der Regionen in anderen Mitgliedsländern als vorbildlich. Als Beispiele fallen Kuschke aber nur Spanien und Österreich ein.

Ebenso zurückhaltend agiert die Landesregierung in der Frage des EU-Beitritts der Türkei – gerade vor der Landtagswahl im Mai soll die CDU keine Steilvorlage bekommen. Zwar habe sich Nordrhein-Westfalen in Brüssel um die Durchführung einer „strikt neutralen“ EU-finanzierten Imagekampagne beworben, die bereits bestehende Kooperationen aufzeigen soll. Ansonsten unterstütze NRW die Position der Bundesregierung, Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aufzunehmen, „uneingeschränkt“, sagt Kuschke immerhin. Die CDU kontert reflexhaft: „Beim europäischen Kernthema eines zukünftigen Beitritts der Türkei ist die Landesregierung untergetaucht“, so die Abgeordnete Ilka Keller. „Das ist unaufrichtig.“

ANDREAS WYPUTTA