Protestcamp gegen Abschiebung

Etwa hundert Menschen haben Mittwoch nacht vor dem Herner Rathaus eine Mahnwache gehalten. Sie protestierten im Regen gegen die drohende Abschiebung des 21-jährigen Met in den Kosovo

Alle jammern, dass das Revier schrumpft, doch Integrierte schieben sie ab

AUS HERNE NATALIE WIESMANN

Mitten auf dem Herner Marktplatz schlägt Met Iberdemaj am Mittwoch abend ein Zwei-Mann-Zelt auf. Bei Nieselregen und Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt bereitet sich der 21-Jährige schon einmal auf seine bevorstehende Abschiebung in den Kosovo vor. Weil das Ausländeramt ihm als Starthilfe ein Zelt schenken will – den Abschiebeflug muss er selbst zahlen – campt er schon mal probe. „Im Pristina ist es jetzt noch einmal mindestens 20 Grad kälter als hier“, weiß Met.

Um ihn herum stehen etwa 50 Leute, unter ihnen Mets KollegInnen vom Kinder- und Jugendparlament (KiJuPa), die sich an seinem Protestcamp beteiligen. In einem großen Zelt wärmen sich die UnterstützerInnen bei Kakao oder einer Gulaschsuppe auf. Manche verabschieden sich nach ein paar Stunden, dafür kommen immer wieder neue Leute hinzu. „Für mich wäre es unvorstellbar, nach Polen zurückzugehen“, sagt die 18-jährige Jungparlamentarierin Caro. Mit drei Jahren ist sie ins Ruhrgebiet gezogen. „Für den Urlaub ist es ja okay in Polen, aber für immer und allein in einem Zelt?“ Weil sie diese Vorstellung so abartig findet, will sie aus Solidarität mit Met heute nacht hier bleiben.

Sie und die anderen haben sich nicht ohne Grund vor dem Rathaus positioniert. Denn der Chef des KiJuPa, Oberbürgermeister Horst Schiereck (SPD), hat sich schützend vor die Entscheidungsträger des Ausländeramts gestellt. Met soll nach 11 Jahren Aufenthalt im Ruhrgebiet als einziger seiner Familie ausgewiesen werden. Seine Mutter ist vom Krieg traumatisiert und steht unter Abschiebeschutz. Der Vater darf bei seiner Frau bleiben. Mets Geschwister sind in Deutschland verheiratet. Met selbst ist, weil volljährig, vogelfrei. „Met hat im Kosovo niemanden“, sorgt sich sein Bruder Toljbert. Außerdem hat er Angst um den Gesundheitszustand seiner Mutter, die seit ihrer Flucht nach Deutschland nicht mehr richtig schlafen kann und jeden Tag Medikamente nehmen muss. „Ich bete jeden Tag zu Gott“, sagt sie und guckt dabei gen regnerischen Himmel. Am 13. Februar entscheidet der Petitionsausschuss des NRW-Landtags darüber, ob er der Stadt ein vorläufiges Bleiberecht für Met empfiehlt – aber auch dann kann die Herner Ausländerbehörde bei ihrer Ausweisung bleiben.

Unter den solidarischen Herner BürgerInnen ist die Grünen-Fraktionsvorsitzende und Bürgermeisterin Dorothea Schulte. Sie bezweifelt, dass Met eine Chance hat. „Das liegt vor allem daran, dass das neue Zuwanderungsgesetz keine Amnestieregelung für Gedultete enthält.“ In Frankreich, Holland oder Belgien würden Geduldete nach einer bestimmten Zeit mit einer Aufenthaltserlaubnis ausgestattet und dürften arbeiten. „Alle jammern, dass das Ruhrgebiet schrumpft und dann schieben sie integrierte, motivierte Jugendliche ab“, regt sie sich auf. Met hat sich von der Sonderschule zur Fachoberschulreife hochgearbeitet. Für Met bestehe noch die Hoffnung, dass er nach einer freiwilligen Ausreise zum Studieren wieder ins Land dürfe, so Schulte. Akademiker haben nach dem neuen Gesetz, das hier alle „Zuwanderungsbegrenzungsgesetz“ schimpfen, mehr Chancen auf ein Bleiberecht.

Mit Isomatte und Schlafsack bepackt, kommt ein Schüler aus Castrop-Rauxel zu der Runde dazu. „Ich habe das mit Met in der Zeitung gelesen“, sagt er. Der Recklinghäuser Süleyman Durmus ist sich sicher, dass solch eine Solidaritätsbekundung „etwas bringt“. Ein Mädchen vom KiJuPa hat sich einen Button mit „Met Security“ angesteckt und Pfarrer Hartmut Dreier aus Marl verteilt Anstecker mit dem Foto des Jungen. Er findet die Entscheidung des Ausländeramts zynisch. „Normalerweise genießt ein Parlamentarier Immunität“, sagt er. Doch offensichtlich sehe die Stadt das Kinder- und Jugendparlament doch nur als Spielwiese an. Und das, obwohl es den Mitgliedern des KiJuPa mit ihrem Protest bitter ernst ist: Einige von ihnen haben bis zum nächsten Morgen ausgeharrt.