gottschalk sagt
: Abgerechnet wird nach Karneval

CHRISTIAN GOTTSCHALK:Die Kolumne am Donnerstag

Auf BBC World sah man diese Woche Bilder von Hartz-IV-Gegnern aus Berlin. Die german jobless, hieß es da, bekämen nun weniger money und seien deshalb angry. Angry. Schön wär‘s. Ich sah die üblichen Linken zusammen mit unserer zuverlässigen Polizei die üblichen Rituale abhalten. The radical left wing war mal wieder routiniert angry. Für viele Arbeitslose ist der Januar im Übrigen ein klasse Monat. Manche können sich sogar nagelneue Winterschuhe leisten, weil es, wegen der Umstellung der Auszahlung von Monatsende (Arbeitslosengeld/-hilfe) auf Monatsanfang doppelt Kohle gab. Das hat die CDU durchgesetzt. Verrückte Welt.

ABM (Arbeitsbeschaffungsmaßnahme), gerne auch ABM-Maßnahme genannt, war schon kein toller Name. Es klang so nach: „Wir brauchen Dich eigentlich nicht, aber gnädigerweise lassen wir Dich ein bisschen arbeiten, damit Du Dir nicht so nutzlos vorkommst“. Aber wer in aller Welt hat den „1-Euro-Job“ erfunden? Wie heißt eigentlich das Gegenteil von Euphemismus? „1-Euro-Job“ hört sich an, als sollte man sich als Arbeiter mal intensiver auf dem chinesischen Arbeitsmarkt umsehen, wenn man Geld verdienen will.

Die Parole „Fördern und Fordern“ ist natürlich blanker Unsinn und eine Beleidigung aller Arbeitslosen. Wer immer noch meint, wenn sonst nichts mehr ginge, könne man sich ja auch „bei Aldi an die Kasse setzen“, sollte sich mal die Stellenanzeigen anschauen. Es werden gerade keine Kassiererinnen gesucht. Es wird überhaupt kaum jemand gesucht. In einer Anzeige wurden unlängst einem Auslieferungsfahrer 750 Euro netto angeboten. Bei dem Verdienst kann man sich nicht mal zwischendurch ein belegtes Brötchen von Merzenich leisten. Außer, man wohnt auch in dem Auto.

Gerade in Köln wird erst im Februar so richtig auffallen, was Hartz IV für jeden bedeutet. Am 1. kommt das Geld und am 3. ist Weiberfastnacht. Gefahr! 345 Euro sind an Karneval schnell ausgegeben. Das kann sich ja mal jeder ausrechnen, für sein Stammlokal. Und da ist die Telefonrechnung noch nicht bezahlt. Als Supermarktfilialleiter in Mülheim oder Vingst würde ich schon mal ein paar Tütensuppen mehr bestellen für den Februar. Denn am Aschermittwoch ist zwar alles vorbei, aber der Monat noch lange nicht!