Ansammlung von Einzelfällen

In der Kölner Agentur für Arbeit geht es kurz nach der Einführung des Arbeitslosengelds II drunterund drüber: Kunden klagen über lange Wartezeiten, besetzte Telefone und überforderte Mitarbeiter

Von Jürgen Schön

„Über drei Stunden hat es gedauert, bis ich endlich den zuständigen Sachbearbeiter gefunden hatte.“ Mit dieser Erfahrung von seinem Besuch am Dienstag bei der Kölner Agentur für Arbeit steht der arbeitslose Schlosser Heinrich Werner nicht allein. „Wartezeiten von bis zu vier Stunden sind keine Seltenheit, telefonisch ist kein Durchkommen, Agenturmitarbeiter wissen nicht, wer wo sitzt, viele Besucher werden einfach nach Hause geschickt“, fasst Wiltrud Derks, kommissarische Geschäftsführerin des Kölner Arbeitslosenzentrums KALZ die Klagen von Ratsuchenden am Tag fünf nach Einführung von Hartz IV zusammen. Brigitte Erdweg von „Frauen gegen Erwerbslosigkeit“ kennt gar einen Fall, bei der eine Frau zwei Mal quer durch die Stadt geschickt wurde.

Bei Werner war ein Scheck auf dem Postweg verloren gegangen. „Erst nach Protest habe ich einen Tag später endlich Geld bekommen“, erzählt er. Andere werden ohne Geld weggeschickt, weiß Bernd Mombauer von KALZ. „Da werden viele zu Monatsbeginn in Existenznöte gestürzt.“ Und Erdweg fragt: „Wie helfen 50 Euro Abschlagszahlung einer vierköpfigen Familie weiter?“

„Lange Wartezeiten und unklare Zuständigkeiten können bei der Umstellung auf das neue System von Hartz IV passieren“, entschuldigt Agentur-Pressesprecher Wolfgang van Ooyen die „Einzelfälle“. Seine Behörde jedenfalls habe im Vorfeld alles getan und die Mitarbeiter entsprechend geschult, um den Kunden unnötiges Warten und Laufen zu ersparen. So habe man allein in der Luxemburger Straße für erste Informationen 18 Nachwuchskräfte im Eingangsbereich eingesetzt. Wer Geld brauchte, habe sofort ein oder zwei Tagessätze erhalten – vorausgesetzt, er hatte seinen Personalausweis dabei. „Von Montag bis Mittwoch Mittag wurden über den Bankautomaten im Foyer knapp 90.000 Euro ausgezahlt“, sagte van Ooyen und hofft, dass sich bald alles eingespielt hat.

Über Mangel an Nachfrage braucht sich das KALZ derweil nicht zu beklagen. Jeder zweite, der in die Herbrandstraße 7 kommt, versteht seinen Bescheid über das neue Arbeitslosengeld II (ALG II) nicht. „Damit haben ja selbst Fachleute Schwierigkeiten“, klagt Mombauer und zählt drei Punkte in den Bescheiden auf, die regelmäßig durch fehlende Aufschlüsselung nicht „nachvollziehbar und damit auch nicht nachprüfbar“ seien. Bei diesen fehlten die Hinweise auf die jeweils gültigen Gesetzesparagrafen, die etwa zu Kürzungen führten.

Punkt 1: die Wohnkosten. Hier müsse genau nach Miete, Betriebs- und Heizkosten unterschieden werden. Punkt 2: die Anrechnung von Nebeneinkommen und von Einkommen des Ehe- oder Lebenspartners. Hier fehlten die Hinweise auf den Freibetrag oder die absetzbaren Kosten. Punkt 3: der „befreite Zuschlag“ zu ALG II. Dies gelte für Menschen, die bislang das „alte“ Arbeitslosengeld bezogen.

Als weitere Fehler – ungefähr zehn Prozent aller Fälle – nennt Mombauer falsche Eingaben. So werde etwa Unterhalt als Einkommen angerechnet. Besonders bei Mitgliedern von Wohngemeinschaften gebe es häufig fehlerhafte Berechnungen, etwa bei der Miethöhe.

Auf den KALZ-Vorschlag, solche Unklarheiten „auf dem kurzen Weg“ oder durch eine Schiedsstelle zu klären, sei die Arbeitsagentur bislang jedoch nicht eingegangen. Von der „unbürokratischen“ Hilfe, die man dort immer wieder versprochen habe, sei jedenfalls nicht zu spüren, so Wiltrud Derks.

Um den Informationsbedarf der Betroffenen zu stillen, führt das KALZ an jedem Dienstag im Januar eine Gruppeninformation zu ALG II durch (jeweils 10 Uhr). Hauptthema: Widerspruch gegen einen Bescheid einlegen. Mombauer empfiehlt: „Das sollte man auf jeden Fall tun.“