Was tun, wenn die Sternsinger kommen?

Sie klingeln an den Häusern, wollen Geld, nehmen auch Süßigkeiten und bemalen die Haustüre: Zunehmend treten auch im Norden rätselhaft vermummte Kinder-Gruppen in Erscheinung. Keimzelle sind das Emsland und Osnabrück. Die taz erläutert das katholische Brauchtum für Einsteiger

Aus OsnabrückHeiko Ostendorf

In diesen Tagen klingeln sie wieder an den Haustüren. Sie sind meist zwischen 10 und 14 Jahren alt. Sie nennen sich Caspar, Melchior und Balthasar. Nur selten sind das ihre wirklichen Namen. Auf dem Kopf haben sie zackige, selbstgebastelte, goldfarbenbesprühte Kronen und um die Schultern ein altes Bettlaken. Menschen aus den katholischen Gegenden Westniedersachsens – dem Emsland beispielsweise oder aus Osnabrück – wissen bereits, was dieser Besuch zu bedeuten hat. So brav und unschuldig das Erscheinungsbild der kindlichen Gäste auch sein mag – sie wollen immer nur das eine: Geld.

Wie reagieren?

Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, darauf zu reagieren: Entweder man hält die Tür dicht verschlossen. Oder man erwartet die Besucher freudig und öffnet ihnen das Haus und Portemonnaie. In diesem Fall singen sie zunächst Lieder und halten dann die Spendenbüchse auf. Süßigkeiten nehmen sie auch. Anschließend nicht in Panik geraten! Die Kinder gehen davon aus, dass sie nun noch etwas an die Hauswand schreiben dürfen. Es handelt sich stets um dasKürzel C+M+B, das nicht für die angenommenen Namen Caspar, Melchior und Balthasar steht. Sondern für einen Spruch für Menschen mit Latinum: Christus mansionem benedicat – soll heißen: Christus segne dieses Haus. Das ist nur halb so wild: Der Segen wird traditionell in Kreide verfasst und ist rückstandlos abwaschbar.

X-Mass: Die Rückkehr

Die ganze Chose wirft uns knapp 14 Tage zurück. Fast hatte man ja gehofft, zwei Wochen nach Weihnachten, der religiöse Spuk wäre vorbei. Doch hier kommt er wieder, mit voller Wucht und fordert seine Rechte ein. Die kindlichen Besucher spielen die heiligen drei Könige. Laut Bibel – um genau zu sein, laut zweitem Kapitel des Matthäus Evangeliums - wollten sie das gerade seiner Mutter entschlüpfte Jesuskind begrüßen.

Nur: in der Bibel steht nichts von Königen und erst recht nichts von dreien. Weise, Magier oder Sternendeuter aus dem „Osten“ hatten sich auf den Weg nach Bethlehem gemacht, zum Stall –Jesu Geburtsort. Im Laufe der Zeit ist in der christliche Tradition die Zahl drei entstanden, weil die Weisen drei Geschenke mitbrachten. Die uns heute teilweise recht fremden Präsente waren Gold, Weihrauch und Myrrhe. Damals galten sie als wertvoll. Da lag der Gedanke nahe, die Geber seien Könige. Wertvolle Geschenke und drei an der Zahl: schwups waren die heiligen drei Könige geboren.

Was springt dabei raus?

Geschenke? Das hört sich freilich gut an. Aber: heute bringen sie keine Geschenke mehr, sondern treiben sie ein. Was auch besser zur derzeitigen kollektiven Vorstellung von Regierungs-Chefs passt. Sie sammeln für Kinder in den armen Ländern. In jedem Jahr steht ein anderes Land im Vordergrund. 2005 ist dies Thailand, das Land, in dem die Flut am Jahresende verheerende Schäden anrichtete.

Mit der Entscheidung für Thailand als Schwerpunktland zeigte die katholische Kirche wahre prophetische Gabe. Denn die Wahl fiel schon vor der Katastrophe. Nun wird die Unglück vielleicht noch für einen kräftigen Schub bei den Spenden an den Haustüren sorgen, hofft Hermann Harmann, Sprecher des Bistums Osnabrück. Dass die Gebebereitschaft nach den monströsen Spendengalas im Fernsehen und Zeitungen abgeebbt sein könnte, bezweifelt der Bistumsmann. Deutschlandweit, konnten nach Darstellung der katholischen Kirche die jugendlichen Geldeintreiber im vergangenen Jahr 33 Millionen Euro ergattern. Alleine in der Diözese Osnabrück kamen 850.000 Euro zusammen; 30.000 mehr als im Vorjahr. Eine ähnliche Steigerung erwartet Harmann auch in diesem Jahr.

Kirchliche Aufklärung

Damit die Kinder auch wissen, warum sie von Tür zu Tür ziehen, werden sie vorher über das ostasiatische Land informiert und erfahren, wie ihre Altersgenossen dort leben müssen. Aber keine Angst, der unbedarfte Bürger wird auch weiter unbedarft bleiben dürfen, denn „es geht mehr darum, den Kindern klar zu machen, wofür sie überhaupt sammeln“, so Harmann. An den Hauseingängen wird die Flutregion nicht thematisiert.

Versüßte Katastrophe

Kinder, die an Türen klingeln und sammeln – das klingt doch irgendwie nach Halloween. Das amerikanische Süßigkeitensammelgroßereignis. Und auch in Deutschland verteilen die per Klingel an die Haustür Getriebenen gerne Schokolade und Bonbons an die Sternsinger.

Dass das den Kindern in Thailand nicht viel helfen wird, darauf möchte Harmann nicht hinweisen. „Das sind ja Geschenke von den Gebern für die Kinder an der Haustür. Wir können die Spender ja nicht bevormunden,“ lautet die ungewohnte katholische Sichtweise. Die Sternsinger dürfen sich freuen. Denn einen Teil der Leckereien dürfen sie für sich behalten. „Aber das sind ja solche Mengen, dass man fragen muss, ob wir den Kindern damit einen Gefallen tun, wenn sie sich die nächsten Tagen nur noch mit Süßigkeiten durchfuttern“, rechtfertigt der Bistumssprecher, dass auch ein Großteil der Naschereien in die Hilfsregionen verfrachtet wird. Adé Völlerei!