hermes des volleyballs von JOACHIM SCHULZ
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Wahrscheinlich tobt in mir eine zwar unbewusste und aussichtslose, dafür aber umso heftigere Abwehrschlacht gegen das Älterwerden, denn seit einigen Jahren verlange ich meinem Körper wieder Anstrengungen ab, die eigentlich jungen Menschen vorbehalten sind. In einem Alter, in dem der gewöhnliche Sportler einen Schlussstrich unter seine Karriere zieht, sich einen Lottokiosk kauft und dort sein Gnadenbrot verzehrt, packten mein alter Freund Jurek und ich noch einmal unsere Volleyballsachen zusammen und heuerten bei einer Bezirksligamannschaft an. Während wir in den Jahren zuvor allenfalls im Sommer auf der Beachanlage am Baggersee ein bisschen herumdaddelten, begaben wir uns nunmehr wie in früheren Zeiten zweimal wöchentlich in eine Sporthalle, um Trainingsanzüge durchzuschwitzen und auf einen bunten Ball einzuschlagen.

Immerhin waren wir nicht so vermessen, uns einer Truppe von Jungspunden anzuschließen, die sich noch voll auf die Funktionsfähigkeit ihres anatomischen Apparats verlassen konnten. Obwohl unsere neuen Teamkollegen alle ungefähr unseres Baujahrs waren, beschränkte man sich nicht darauf, nur spaßeshalber am Ligabetrieb teilzunehmen. Stattdessen strebten wir jede Saison von neuem nach der Meisterschaft und quälten uns bereitwillig durch das muskelkaterträchtige Zirkeltraining unseres Coachs.

Allerdings wollten sich die Gesetze der Biologie offenbar kein Schnippchen schlagen lassen. Spätestens nach Ablauf der Hälfte einer Saison begannen die morschen Körper der Mannschaftsmitglieder beleidigt auf die Anstrengungen zu reagieren, und so lichteten sich die Reihen der Spielfähigen schließlich derart, dass wir am Ende der Runde froh waren, nicht abgestiegen zu sein.

Ganz anders schienen sich die Dinge in der letzten Saison zu entwickeln. Auch einen Spieltag vor Schluss waren wir noch auf Titelkurs, und keinen von uns plagten Knie- oder Schultermolesten. Außerdem stieß in diesem Moment ein riesenhafter polnischer Austauschstudent namens Hermes zu uns, der – das war sicher – in den Reihen unserer Kontrahenten Angst und Schrecken verbreiten und uns im Alleingang zur Meisterschaft bomben würde.

Im letzten Training vor dem entscheidenden Spiel aber fiel das Leiden doch noch epidemisch über uns her – und immer hatte Hermes dabei auf mysteriöse Weise seine Finger im Spiel: Der eine handelte sich beim Einspielen mit ihm eine Zerrung ein, zwei weitere stießen bei dem Versuch, einem von ihm geschlagenen Ball hinterherzuhechten, so unglücklich mit den Köpfen zusammen, dass sie sich Gehirnerschütterungen zuzogen, und wieder ein anderer stolperte schließlich im Umkleideraum über die Tasche des Riesen und verstauchte sich dabei den Fuß.

So ging uns die Meisterschaft abermals durch die Lappen, und das lag nicht zuletzt auch daran, dass Hermes zu dem entscheidenden Spiel nicht erschien. Er tauchte überhaupt nicht mehr auf, und mittlerweile glaube ich, dass er tatsächlich Hermes persönlich war: gesandt von Boss Zeus höchstpersönlich, um uns zu verklickern, dass wir einfach zu alt sind, um noch einmal eine Meisterschaft zu gewinnen.