Die Nacht der Guten Onkelz

Spenden-Affäre: In eigenwerbender Sache versammeln sich deutsche Schmierkäseecken im „Bild“ gewordenen ZDF

Niemand ist der Wahrheit ferner / Als Johannes Baptist Kerner. Als Spendengalarist sieht der Mann aus wie Jürgen Fliege und spricht auch so. Geduckt nähert er sich und versenkt den Moskitorüssel im Gegenüber: „Was haben Sie empfunden?“ Er kann die Frage auch variieren: „Wie haben Sie das vorgefunden?“ Wenn man das Insekt erschlüge / Wer vermisste dann die Fliege?

Ein Spendierhosenabend ist angebrochen in Deutschland. „Ein Herz für Kinder – Wir wollen helfen“ heißt das Defilee zugunsten von Bild und ZDF. Um sich nicht zu profilieren, ist Campino mit den Toten Hosen angereist: „Es geht hier nicht darum, sich zu profilieren“, sagt er – deshalb ist er da. Der Mann bricht auch ein Lied von sich: „Alles wird vorübergehn“. Das hat, speziell in seinem Fall, etwas Tröstliches. Die längst überfällige Umbenennung der Toten Hosen vollzieht sich am 4. Januar 2005. In Anerkennung ihrer Verdienste um Musik und Gesinnung heißen sie ab nun: Die Guten Onkelz.

Beim nationalen Schulterschluss / Kommt das Deutsche zum Erguss – auch dann, wenn es englisch singt, oder, genauer, englerisch. „I’ve seen the angels in the sky“, behauptet, sein Soloalbum „Just a Singer“ promotend, Hartmut Engler. Die Engel im Himmel will er gesehen haben, und sky heißt ja auch Himmel, allerdings im optischen oder geografischen Sinn eines blue oder hollow sky. Der metaphysische Ort, an dem Engel wohnen, heißt indes heaven. Wer aber wäre Hartmut Engler, wenn ihm solche Feinheiten etwas sagten? Für den guten Werbezweck / Tut es auch der letzte Dreck.

Das weiß auch Helmut Lotti. „Überrascht durch den Tod / Lasst uns helfen, es sind unsre Brüder / Lasst uns helfen in Zeiten der Not“, dichtete er frisch. Vokabeln gelernt hatte die singende Seifenlauge auch: „Tsunami, für mich war es ein neues Wort.“ Es kommt der Tod als Schmiergesang mit Geigen / Leider nie zu denen, die nicht schweigen.

Wie sich die deutsche Volks- und Notgemeinschaft beim Spenden so bei den Händen nahm, dünstete sie die Logik der Päderasten aus: Ohne mich wäre das Kind doch längst verhungert! Den Gutestuern war per Telefon auch Michael Schumachers Manager Willi Weber zugeschaltet: Weber hatte früher keine roten Pferdchen, sondern weibliche laufen und war in Stuttgart unter dem Namen „Schnallen-Willi“ bekannt; nun, als Schumi-Willi, gab er die umjohlte Spendensumme von 10 Millionen Dollar bekannt.

Ausgegossen auf den Rieselfeldern des Guten wurden außerdem: Horst Köhler, Dieter Thomas Heck, die Klone von Silbermond, Cherno Jobatey, Peter Maffay, Carmen Nebel, Josef Ackermann, Helmut Kohl und jede Menge weiteres Ölwechselmaterial. Ein großer Jammer ist’s, dass man / Schmier nicht schlicht ersäufen kann.

Der deutschen Spender Lieblingswort / heißt „Diese Menschen“ und „Vor Ort“. Vor Ort nämlich kennen sich diese Menschen in diesen Ländern teilweise recht gut aus – wenn auch nicht ganz so gut wie deutsche Experten, die ihre Spenderlandsleute beruhigen konnten bei der wichtigsten und bangsten aller Fragen: „Was geschieht dort vor Ort mit unserem schönen Geld?“

Das ZDF, ganz Bild geworden, bot alles auf, was es hat – auch seine beste Schleimschleuder aus der „heute“-Redaktion. Steffen Seibert, die Instanz für Gleitmitteltum und Gefallsucht, fragte: „Konnten Sie sinnvoll helfen?“ Die einzig passende Antwort: „Nein, nur sinnlos“ unterblieb. WIGLAF DROSTE

Kastentext

Steffen seibert schwiegersohnig, seibern nämlich ist ein Verb, das beschreibt, wenn man wie Honigklebrig glitscht zum Gelderwerb.