Halbherzige Erneuerung im Schatten des Strippenziehers

JAPAN Ein Skandal zwingt kurz vor Wahlen bisher favorisierte Oppositionspartei zu Führungswechsel

TOKIO taz | Mit einer neuen Führung will Japans Demokratische Partei (DPJ) ihre Chancen bei der anstehenden Parlamentswahl verbessern. Der schon sicher geglaubte Sieg der größten Oppositionspartei war wegen eines Spendenskandals im Umfeld von Parteichef Ichiro Ozawa außer Reichweite geraten. Ozawa trat vor einer Woche zurück. Als Nachfolger wurde jetzt der 62-jährige Yukio Hatoyama gewählt.

Ozawas Sekretär wird derzeit wegen 160.000 Euro, die ein Bauunternehmen aus Ozawas Wahlkreis illegal in die DPJ-Kasse zahlte, der Prozess gemacht. Die Anklage beschädigte das Image der DPJ als „sauberer“ Partei so schwer, dass sie ihren großen Vorsprung in den Umfragen verlor. Zugleich stieg die Zustimmung zu Premier Taro Aso, als er ein riesiges Konjunkturpaket auflegte.

Ozawa hatte die Vorwürfe gegen seinen Sekretär zunächst als politisch motiviert bezeichnet. Aber laut Umfragen glaubt die Mehrheit der Japaner diese nicht. Nun soll Hatoyama der DPJ-Forderung nach einem Regierungswechsel neue Glaubwürdigkeit geben. Japan wird seit über 50 Jahren fast ununterbrochen von der Liberaldemokratischen Partei (LDP) regiert.

Hatoyama muss aber noch die Wähler überzeugen, dass er für einen Neuanfang steht. Denn der Vollblutpolitiker, dessen Familie mit ihm in der vierten Generation im Parlament sitzt, war als Generalsekretär in den letzten drei Jahren die rechte Hand Ozawas und hat sich von ihm während der Spendenaffäre nicht distanziert. Hatoyama hatte die DPJ vor 13 Jahren mit gegründet und war schon mal ihr Chef. Aber erst Ozawa gelang es, aus dem zunächst losen Bündnis politischer Gruppen eine sozialdemokratische Alternative zur konservativ-neoliberalen LDP zu formen.

Die DPJ will den Einfluss der mächtigen Beamten beschneiden, einen Wohlfahrtsstaat aufbauen, Bauern, Fischer und Kleinunternehmer stützen und außenpolitisch unabhängiger von den USA handeln. Ozawa stammt ursprünglich selbst aus der LDP und gilt als der letzte traditionelle Strippenzieher.

Hatoyama steht jetzt vor der schwierigen Aufgabe, aus Ozawas Schatten herauszutreten. Immerhin halten laut Blitzumfrage der Nachrichtenagentur Kyodo vom Sonntag 43 Prozent der Japaner ihn für einen geeigneten Premier, den Amtsinhaber Aso dagegen nur 32 Prozent. MARTIN FRITZ