Darfur in Den Haag vor Gericht

KRIEGSVERBRECHEN Erstmals stellt sich jemand dem Internationalen Strafgerichtshof freiwillig. Es ist ein Rebellenführer aus Darfur im Sudan. Der Fall ist ein Politikum

Abu Garda, der normalerweise in Libyen lebt, nahm einen Linienflug aus Ägypten

VON DOMINIC JOHNSON

BERLIN taz | Für den Internationalen Strafgerichtshof war es eine Premiere, für die Aufarbeitung von Kriegsverbrechen in Sudans Konfliktregion Darfur auch. Bahr Idriss Abu Garda, Führer einer Darfur-Rebellengruppe, stellte sich am gestrigen Montag freiwillig dem Gerichtshof in Den Haag, um einer Vorladung nachzukommen. Abu Garda, der normalerweise in Libyen lebt, nahm einen Linienflug aus Ägypten. In Den Haag wurde am Nachmittag die Anklage gegen ihn verlesen. Einen Haftbefehl gegen ihn gibt es nicht, weil er freiwillig erschien.

Abu Garda soll das Kommando bei einem Angriff auf Friedenstruppen der Afrikanischen Union (AU) im Ort Haskanita am 29. September 2007 geführt haben. Der von rund 1.000 Rebellen durchgeführte Angriff tötete 12 AU-Soldaten und verwundete 8 andere. Der Chefankläger des Strafgerichtshofs, Luis Moreno-Ocampo hatte im November 2008 wegen dieses Vorfalls Haftantrag gegen drei Darfur-Rebellenführer gestellt, die namentlich nicht genannt wurden. Die zwei anderen Namen sind noch immer geheim.

Abu Garda beteuert seine Unschuld. Der Warlord aus dem Zaghawa-Volk war zu Beginn des Darfur-Krieges 2003 einer der Zaghawa-Kriegsführer, die aus dem Nachbarland Tschad nach Sudan zogen, um dort den bewaffneten Kampf aufzunehmen. Er gehörte zur Führungsriege der „Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit“ (JEM) und wurde deren Generalsekretär in den JEM-kontrollierten Gebieten. Aber im August 2007 brach er mit der JEM, erklärt deren Deutschland-Vertreter Mohammed Zakaria gegenüber der taz: „Er hatte Kontakt zur sudanesischen Regierung aufgenommen, ohne das den anderen zu sagen.“ Garda gründete eine Splittergruppe „JEM/Kollektive Führung“, und seine Rebellengruppe heißt heute „Vereinigte Widerstandsfront“ (UFR). Nach Zakarias Darstellung führte Garda den Angriff auf Haskanita durch, um für seine Kämpfer Fahrzeuge zu erbeuten.

Der Angriff auf die AU in Haskanita mit 12 Toten erscheint geringfügig gegenüber den Verbrechen gegen die Menschlichkeit mit hunderttausendfacher Todesfolge, die Den Haag Sudans Regierung zur Last liegt. Aber der Strafgerichtshof will beweisen, dass er in Darfur nicht einseitig ermittelt. Abu Garda will durch seine Kooperation Punkte sammeln gegenüber Sudans Präsident Omar al-Bashir, der von Den Haag mit Haftbefehl gesucht wird und jede Zusammenarbeit mit dem Strafgerichtshof ablehnt. Diese Strategie gilt für Darfurs Rebellen insgesamt, so zerstritten sie untereinander auch sein mögen. Die JEM soll Moreno-Ocampo bei den Ermittlungen gegen Garda geholfen haben.

Gardas Vorladung in Den Haag erfolgt, während der Konflikt in Darfur wieder aufflammt. Nachdem tschadische Rebellen vorletzte Woche aus Darfur heraus im Tschad einmarschierten und dort geschlagen wurden, rückte letzte Woche tschadisches Militär in Darfur ein und flog sogar Luftangriffe. Man habe tschadische Rebellenstellungen 60 Kilometer tief im Sudan zerstört, sagte Tschads Verteidigungsminister Adoum Younousmi am Sonntag. Im Norden Darfurs rückten unterdessen die JEM-Rebellen gegen Sudans Armee vor und meldeten die Einnahme der Garnisonsstadt Kornoi. „JEM wird ganz Darfur kontrollieren, auch die Hauptstädte“, sagte JEM-Führer Khalil Ibrahim am Sonntag. Was während dieser Vorgänge an Kriegsverbrechen geschehen sein könnte, wird Den Haag voraussichtlich nie erfahren.