CSU will Merkel noch mal testen

Zum Auftakt der Kreuther Klausurtagung schießt Landesgruppenchef Glos mit Giftpfeilen auf die Chefin der Schwesterpartei. Merkels Freunde sind überrascht von der kaum versteckten Drohung, die K-Frage nach einer Schlappe in NRW neu aufzurollen

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Der neue Generalsekretär der CDU wünscht sich die Union als „verschworene Gemeinschaft treuer Freunde“, wie er kurz vor Weihnachten nach seiner Berufung durch Parteichefin Angela Merkel sagte. Da bleibt auch im neuen Jahr noch einiges zu tun. Speziell für die treuen Freunde von der CSU in Bayern musste Volker Kauder gestern einen weiteren, weniger pathetischen, aber umso dringenderen Aufruf zur Geschlossenheit verfassen.

„Die Bürger erwarten von CDU und CSU weder Personaldebatten noch Diskussionen über internen ‚Führungsanspruch‘, sondern Lösungen für die dringenden Probleme dieses Landes“, teilte Kauder in einer Presseerklärung mit. Ein nachvollziehbares Anliegen, nach all dem Streit über die Gesundheitspolitik, der die Schwesterparteien 2004 so lang entzweite. Auch die CSU hatte sich deshalb zu Silvester offiziell vorgenommen und mehrmals angekündigt, nunmehr endlich Einigkeit demonstrieren zu wollen. Von wegen.

Kauder sah sich gestern zu seinem flammenden Appell gezwungen, weil ihm schon am frühen Morgen die ersten Agenturmeldungen auf den Tisch geflattert waren, die für neues Unheil in der Union sorgen werden. Unmittelbar vor Beginn der dreitägigen Klausurtagung der CSU-Bundestagsabgeordneten in Wildbad Kreuth gab deren Chef Michael Glos ein Radiointerview, in dem er die anstehenden Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen als Testwahlen für CDU-Chefin Merkel bezeichnete. „Wir wissen natürlich, dass Führungsanspruch nicht allein dadurch entsteht, dass man auf Parteitagen siegt, sondern man muss das immer wieder auch in den Wahlkämpfen beweisen“, sagte Glos. „Wenn die Wahlen – was ich nicht erwarte – für die CDU desaströs ausgehen würden, sage ich, dann gibt es natürlich wieder Diskussionen, in welcher Aufstellung man die Bundestagswahl am besten gewinnen kann.“

Die Wahlerfolge der Union im vergangenen Jahr wie etwa in Hamburg seien ein Zeichen der Unterstützung für Merkel gewesen, gestand Glos zwar ein. „Aber die Zeiten sind natürlich wetterwendisch, und es ist jetzt entscheidend, wie die Wahlen ausgehen in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen, weil immer entscheidend natürlich die nächste Wahl ist.“

Nun gehören kleine Giftpfeile aus dem winterlichen Kreuth zu den alljährlichen Ritualen innerhalb der Union. Immer schon nutzten die Bayern diesen Termin zum Jahresauftakt, um ihre eigene Bedeutung wirkungsvoll zu unterstreichen und gegen die große Schwesterpartei zu sticheln. Niemand in der CDU würde es daher verwundern oder ernsthaft besorgen, wenn etwa CSU-Vize Horst Seehofer die Kreuther Bühne nutzt, um erneut den Gesundheitskompromiss zu verteufeln.

Aber Glos ist ein anderes Kaliber. Seine kaum versteckte Drohung überraschte Merkels Freunde in der CDU. „Das ist schon ein starkes Stück“, entfuhr es einem ihrer Mitstreiter gestern in Berlin. Schließlich galt Glos bislang als loyaler Merkel-Vize, als ihr Verbindungsmann zur CSU selbst in schweren Zeiten. Dass er Merkel nun ohne Not unter Erfolgsdruck setzt, ist ein Affront, der Merkel besonders hart trifft, weil selbst Wohlmeinendste in der CDU den Thesen des CSU-Kollegen nicht widersprechen können.

„Natürlich geht nach einer Niederlage in NRW die Diskussion über die K-Frage wieder von vorne los“, räumt einer aus Merkels engsten Umfeld ein, „aber das kommt dann früh genug, das muss man nicht herbeischreien.“ Für den Merkel-Freund ist Glos’ Taktik unverständlich. „Denn der Stoiber wird’s ja garantiert nicht mehr.“ Sollte Merkel stolpern, so seine Prognose, die viele in der Union teilen, „dann kommt eigentlich nur Wulff in Frage“. Der niedersächsische Ministerpräsident tut unterdessen das, was er und seine Kollegen aus den Ländern meist tun, wenn Merkel in Bedrängnis gerät: Er schweigt.

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