Keine Schmerzen, Herr Präsident!

Bundespräsident Horst Köhler tief im Westen. Eine Staatsvisite mit allen Sinnen, und natürlich immer streng nach Protokoll. Der Rücken mag weh tun – aber Hauptsache, die Weichteile sind in Ordnung

AUS BOCHUM KLAUS JANSEN

Er muss die Meisen an ihrem Knödel erschreckt haben. Mit dem Hubschrauber aus Düsseldorf fliegt Bundespräsident Horst Köhler ein in die Kleingartenanlage Bergmannsheil in Bochum. Dann quer durch die Rabatten und rein in die Staatslimousine, BMW, Deutschlandflagge vorne rechts, Kennzeichen 0-1, mit Frau und SPD-Ministerpräsident Peer Steinbrück (und dessen Frau). Sieben Polizeimotorräder voraus, und rein ins Vergnügen.

Gemunkelt hatte man schon, Herr Köhler würde Nordrhein-Westfalen nicht schätzen, das Ruhrgebiet auch nicht – erst als 13. Bundesland kam das Land in den Genuss einer Staatsvisite des Präsidenten. Aber von wegen, Köhler liebt die Region: „Man darf nie vergessen, dass die Malocher hier Deutschland aufgebaut haben nach dem zweiten Weltkrieg. Da muss man dankbar sein. Ich habe eine persönliche Sympathie für das Ruhrgebiet.“ Dass das Revier eine „ehrliche Haut ist“, Bochum vor allem, weiß er auch. „Ich habe extra das Lied von Grönemeyer gelesen. Das muss ja zur Vorbereitung.“

Die ehrliche Haut zeigt sich Köhler von ihrer Schokoladenseite: Innovationsfreudig, strukturwandlerisch. Drei Stationen, drei Landesminister hatte Bochum aufgeboten. Station eins: Krankenhaus Bergmannsheil, älteste Unfallklinik der Welt. Präsentiert bekommt der Präsident einen kleinen Computer, von dem aus Patienten in Zukunft ihren Arzt online über ihr Befinden unterrichten können. Probepatient für die Telemedizin: Horst Köhler, natürlich. „Haben sie Schmerzen, Herr Präsident?“ Köhler, mit großen Pupillen und akkuratem Seitenscheitel, überlegt. „Na gut, der Rücken tut mir weh.“ Schmerzstufe zwei von zehn, tippt er in den Computer. Applaus. Dann werden weitere Musterpatienten für die kommende Weltrevolution der Medizintechnik aus Bochum vorgeführt. „Die Weichteile sind in Ordnung“, flimmert die Selbstdiagnose von Herrn Mustermann über die Leinwand. Schmerzstufe neun von zehn, mindestens.

Gefährlich auch, so ein Staatsbesuch. Sicherheitsstufe sogar noch höher als bei der Queen. Wie viele Polizisten eingesetzt sind, hält der Polizeisprecher aus polizeitaktischen Gründen geheim. Wie viel die Chose das Land kostet, hält die Dame vom Landespresseamt aus Staatsraison ebenfalls geheim: „So etwas berechnet man nicht.“ Gut, es hat sich ja auch gelohnt: „Liebe Grüße, Eva und Horst“, so etwas steht nun im goldenen Buch der Stadt Bochum. SPD-Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz hat dafür sogar gefroren im kurzen schwarzen Röckchen vor dem Bochumer Schauspielhaus. Mit der goldenen Amtskette um den Hals hat sie Köhler empfangen, die Show wurde ihr nur gestohlen von einer Blondine auf Rollschuhen im pinken Dress, die sich so sehr an den Horst rangeschmissen hat, dass die Eva... Egal, war nur eine Darstellerin aus dem Musical Starlight Express, Bochum zeigt halt, was es hat.

Auch sein Finanzamt zeigt Bochum her, Modellprojekt elektronische und vereinfachte Steuererklärung, für den gelernten Finanzer Köhler ein echter Leckerbissen. Dessen Erkenntnis: „Ich habe gemerkt, dass die Beamten sich hier nicht wie Beamte, sondern wie Dienstleister sehen.“ Der sozialdemokratische Finanzminister Jochen Dieckmann freut sich. Eine Stunde später freut sich auch der grüne Kulturminister Michael Vesper, weil Köhler kundtut, dass er auch Kultur total wichtig findet. „Mir ist nicht bange um Bochum“, sagt Köhler, auch wegen der Opel-Krise nicht, die Stadt hat sich ja noch immer berappelt. „Hier werden Schubladen übersprungen“, weiß Köhler. Und wenn es richtig Probleme gibt, können die Bochumer auf den Bundespräsidenten zählen. Denn der hat nicht nur Grönemeyer gelesen, sondern auch Schwarzenegger gehört: „Ich komme wieder.“