Glücklich mit ihren Experimenten

Um nicht zu vereinzeln, schließen sich vier Kölner Theatergruppen zur „Freihandelszone“ zusammen. Nach sechs Monaten ziehen sie eine positive Zwischenbilanz. Kritik üben sie an der Theaterkonferenz

Von JÜRGEN SCHÖN

Erstarrt, zersplittert, ichbezogen – das fällt den Mitgliedern der vier freien Kölner Theatergruppen „a.tonal.theater“, „anthro TM“, „Future3/evoe“ und „theater-51-grad.com“ ein, wenn sie die lokale Theaterszene beschreiben. Um das zumindest für die eigene Situation zu ändern, schlossen sie sich vor einem halben Jahr zum Ensemblenetzwerk „Freihandelszone“ zusammen. „Es hat sich gelohnt, wir sind auf dem richtigen Weg“, zogen sie jetzt eine erste Bilanz.

Auf der Habenseite stehen dabei zunächst Synergieeffekte in Verwaltung und Werbung. Letztere etwa habe zu „verstärkter Resonanz“ beim Publikum und einer Auslastung von knapp 82 Prozent geführt. Rund 1.200 Zuschauer sahen von September bis Dezember 25 Aufführungen der vier Ensembles, die oft nur in kleinen Aufführungsstätten auftreten und vorwiegend auf experimentelles Theater setzen. „Freihandelszonen“-Sprecherin Alexandra Kalka freut sich besonders, dass es gelang, „neue kunst- und theaterinteressierte Besucher zu gewinnen“.

Aber nicht nur organisatorisch sind sich die rund 60 Theaterschaffenden durch die gemeinsam genutzten Büro- und Übungsräume in der Rolandstraße näher gekommen. „Wir machen hauptsächlich spontanes Theater“, erklärt André Erlen von Future3, der mit der Reihe „Citybeats“ durch Kneipen und Geschäfte tourte. „Da tut es gut, seine eigene Praxis etwa an der sehr disziplinierten und ausgefeilten Arbeit von a.tonal zu überprüfen.“ Und a.tonal-Gründer Jörg Fürst begrüßt den umgekehrten „Lerneffekt“. Auch die Frage, ob ein Regisseur nötig sei, werde regelmäßig diskutiert. Bei anthro TM wird auf einen Spielleiter grundsätzlich verzichtet. Es wurden auch schon Schauspieler ausgetauscht und im Juli soll mit „Erotic Zones“ in einem Kölner Hotel das erste gemeinsame Projekt starten – wobei jede Gruppe eigenständig auftritt. Als weitere Projekte sind Gastspiele auswärtiger Gruppen geplant. „Hier hat Köln Nachholbedarf“, glaubt Förster.

Zwar versteht sich „Freihandelszone“ vor allem als künstlerisches Projekt und nicht als politische Lobby, doch hat dieser Zusammenschluss natürlich auch eine kulturpolitische Aussage. So gehört keines der Mitglieder der Kölner Theaterkonferenz an. Dieser werfen sie vor, „Strukturen von gestern“ zu verfestigen, der Zersplitterung in viele kleine Theater kein gemeinsames Theaterhaus entgegenzusetzen und sich nicht für eine finanziell ausreichende Qualitätsförderung einzusetzen. „Der Ruf der Kölner Szene ist außerhalb sehr schlecht“, sagt Erlen.

Diesen Vorwürfen widerspricht Joe Knipp, Vorsitzender der Kölner Theaterkonferenz, natürlich vehement: „Gerade die Vielfalt macht Kölns Qualität aus. Theaterhäuser, das zeigen die Erfahrungen aus anderen Städten, nivellieren eher.“ Städte wie Berlin beneideten Köln gerade um die Theaterkonferenz, die mit rund 50 Mitgliedern die meisten Kölner Theater und freien Gruppen vertritt. Und, so sagt er, auch mit der vor zwei Jahren gegründeten „Plattform“ führe man inzwischen wieder Gespräche. Deren Mitglieder, darunter das Theater im Bauturm, die Comedia und theater-51-grad.com, waren aus der Theaterkonferenz ausgetreten. Ihr Vorwurf damals: Die Konferenz vernachlässige die Qualitätsfrage.

„Mit unserer Konzeptförderung, die derzeit 17 Theater einbezieht, sind wir auf dem richtigen Weg“, wehrt sich Knipp gegen den Vorwurf, eher Masse statt Klasse zu unterstützen. „Mehr Geld wäre allerdings wünschenswert.“ Trotz unterschiedlicher politischer Einschätzung begrüßt er das Modell „Freihandelszone“ und ist „jederzeit zu einem Gespräch bereit.“