Unruhe in der VW-Fraktion

Raffke-Debatte: Gerüchte um die Rolle von Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP)

Sie dürften nicht schlecht gelebt haben: Ingolf Viereck und Hans-Hermann Wendhausen kassierten seit 1994 nicht nur üppige Diäten als Abgeordnete im niedersächsischen Landtag – derzeit 5.400 Euro pro Monat. Weil bis heute unklar ist, für welche Leistungen die SPDler zusätzlich bis zu 3.000 Euro monatlich plus Dienstwagen von ihrem ehemaligen Arbeitgeber VW bekamen, tobt derzeit eine unschöne Raffke-Debatte über die Nebeneinkünfte von Parlamentariern. Dass diese „auch negativ für VW“ sei, musste gestern eine Sprecherin von Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) zugeben. Der hat mittlerweile zwei Briefe an VW-Chef Bernd Pischetsrieder geschrieben, um zu erfahren, welche Politiker beim Weltkonzern in Lohn und Brot stehen.

Die will VW erst Ende des Monats bekannt geben. Gleichzeitig dementierte das Unternehmen, dass es eine Betriebsvereinbarung über Angestellte, die Parlamentarier werden, gibt. Offensichtlich handelt es sich aber gar nicht um eine solche Abmachung zwischen VW-Bossen und -Betriebsrat, sondern um eine interne Konzernrichtlinie. Diese soll VWlern, die in die Politik wechseln, garantieren, dass sie nicht nur nach Ende des Mandats wieder beim Global Player einsteigen dürfen. Darüber hinaus sichert VW angeblich sogar die Weiterzahlung des Lohnes zu, wenn sie im Parlament sitzen.

Ein weiteres Gerücht machte gestern die Runde in Hannover: Anonyme Quellen behaupten, die Richtlinie stamme aus der Zeit vor dem Wahlsieg der SPD am 13. Mai 1990.

Die Folge: Ein gewisser Walter Hirche (FDP), heute im Kabinett Wulff, war damals Wirtschaftsminister unter Ernst Albrecht (CDU). Damals wie heute saß er im Aufsichtsrat von VW – und hätte daher Kenntnis von der Richtlinie haben müssen. Bis Redaktionsschluss war kein Statement von Hirche dazu zu erhalten.

Immerhin haben die SPD-Hinterbänkler inzwischen erklärt, seit Januar bekämen sie kein Geld mehr von VW. Viereck und Wendhausen müssen bis Ende kommender Woche dem Landtagspräsidenten Rechenschaft über ihre Nebentätigkeit ablegen. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig prüft zudem die Einleitung eines Verfahrens gegen Viereck wegen Bestechlichkeit.

Nachdem bekannt wurde, dass im Februar der Wolfsburger VW-Betriebsrat Klaus Schneck für die SPD ins Landesparlament nachrückt, spötteln viele nur noch über die „VW-Fraktion“. Dass die Crew unter Sigmar Gabriel nicht einfach die beiden schwarzen Schafe verstößt, um reinen Tisch zu machen, mag sich damit erklären, dass ihnen im Falle eines Falles Rückzahlungen von jeweils um die 400.000 Euro drohen. Kai Schöneberg