unbekannte Karrieren
: Baukünstlerinnen

Es ist wahr: Männer konnten in der lange von ihnen dominierten Architektur ganz selbstverständlich ein Auskommen finden, wohingegen die Arbeiten selbst begabter Frauen kaum öffentlich gewürdigt wurden. Erstmals als Mitarbeiterinnen berühmter Baukünstler – wie Lilly Reich von Ludwig Mies van der Rohe oder Marlene Poelzig von ihrem Mann Hans – tauchten Architektinnen in den Annalen moderner Architektur auf. Neben diesen beiden Protagonistinnen stellt Kerstin Dörhöfer die Berufswege sechzehn weiterer Kolleginnen dar.

Dass sich der Blick auf Berlin verengt, ist nicht nur Dörhöfers Forschung an der hiesigen Universität der Künste geschuldet. In der Großstadt hatten Frauen die besten Arbeitsmöglichkeiten. So war auch Emilie Winkelmann, die erste Architektin Deutschlands, hier ansässig. In den um 1900 für Frauen noch unzugänglichen Studiengang war sie gekommen, weil sie den Aufnahmeantrag neutral mit E. Winkelmann unterschrieben hatte. Bereits ein Jahr nach dem Universitätsabschluss im Jahr 1907 betrieb sie erfolgreich ein eigenes Büro und realisierte zahlreiche, ihrerzeit beachtete Land- und Mietshäuser.

Reich und Poelzig, die zweite Generation, blieb eine eigenständige Anerkennung versagt: Reich wegen der Ächtung moderner Architektur im Nationalsozialismus, den sie nur um zwei Jahre überlebte, Poelzig aufgrund der Ablehnung der Reichskammer, sie in die Fachgruppe Architektur aufzunehmen, da sie als Witwe mit drei minderjährigen Kindern keine kammerpflichtige Tätigkeit ausüben konnte.

Die nächste prägende Generation war schon im Wiederaufbau tätig. Nicht von ungefähr arbeiteten Luise Seitz und Ludmilla Herzenstein im Ostsektor Berlins. Im so genannten Sozialismus war der Zugang in das Berufsleben weniger geschlechtsspezifisch geprägt. Beide gehörten 1946 zum Planungskollektiv von Hans Scharoun, und Herzenstein war danach bis 1971 Stadtbezirksarchitektin von Weißensee.

Dörhöfer will weniger die Architekturgeschichte neu schreiben – hier führt der Untertitel in die Irre – als vielmehr diese Karrieren überhaupt bekannt machen. So liest sich das Buch wie eine spannende Sozialgeschichte. Vielleicht werden in einer Fortsetzung einmal Lebensläufe wie der von Karola Bloch erzählt, die als begeisterte Architektin im amerikanischen Exil ihren berühmten Mann ernährte. MIKAS

Kerstin Dörhöfer, „Pionierinnen in der Architektur. Eine Baugeschichte der Moderne“. Ernst Wasmuth Verlag, Tübingen/Berlin 2004, 222 S., 29,80 €