KREUTH: DIE CSU ÜBERSCHÄTZT DEN TÜRKENGEGNER BUTTIGLIONE
: Stoibers wirkliche Verbündete

Es war ein schöner Tag für Edmund Stoiber. Seine CSU durfte sich über Zuwachs an der Anti-Türkei-Front freuen: Rocco Buttiglione, Italiens Europaminister und frisch gescheiterter EU-Kommissionskandidat, kam extra nach Bayern, um den Christsozialen seine Solidarität im Abwehrkampf gegen die türkische Bedrohung zu bekunden.

Auf den ersten Blick werden die Gegner eines Türkeibeitritts damit stärker. In Deutschland stänkert Stoiber, in Frankreich macht der mächtige Nicolas Sarkozy Front gegen die Südosterweiterung, und nun ist auch Italien im Boot. Deutschland, Frankreich, Italien – das sind drei der vier größten EU-Staaten, drei Gründungsmitglieder noch dazu. Wenn dort nun die konservativen Kräfte die populistische Trommel rühren, wenn auch in Italien der Schreckensruf „Mamma, li turchi!“ ertönt, dann scheint eine gefährliche Achse zu entstehen – und auf die billige Tour eine große politische Rendite eingefahren zu werden.

Doch Stoiber sollte sich nicht zu früh freuen. Hat ihm keiner seiner Berater gesagt, dass er mit Buttiglione da einen Gastredner eingeladen hat, der selbst in der eigenen Regierung nicht recht ernst genommen wird? Buttiglione mag Minister sein, doch bei seinem Bayernausflug vertrat er weder Italien noch auch die dort regierende Rechtskoalition. Deren Chef, Silvio Berlusconi, pflegt höchst demonstrativ sein herzliches Verhältnis zum türkischen Kollegen Erdogan und unterstützte erst auf dem letzten EU-Gipfel wieder massiv die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen. Und Widerspruch von der Linksopposition hat Berlusconi in diesem Punkt nicht zu befürchten – auch die will Ankara in der EU sehen.

Ganz allein ist Buttiglione dennoch nicht: In Italien hetzt Umberto Bossis Lega Nord in den gewohnt rassistisch-antiislamischen Tönen gegen die „Horden“ vom Bosporus. Die Lega: Sie ist Stoibers wahrer Verbündeter im Kampf fürs „christliche Abendland“. Die CSU wäre gut beraten, wenn sie statt Buttiglione demnächst einen der Hetzredner aus Bossis Reihen einlüde. Es wäre ein Akt politischer Ehrlichkeit. MICHAEL BRAUN