zahl der woche
: Erhöht die Gaswirtschaft Preise zu Recht? Ein Rechenspiel

10 Prozent

Drei Meldungen sorgten diese Woche in der Energiebranche für Aufmerksamkeit. Erstens: Gegen weitere Gasversorger sind Preismissbrauchsverfahren von den Aufsichtsbehörden eingeleitet worden. Denn seit Jahresanfang müssen Verbraucher im Schnitt 10 Prozent mehr zahlen. Zweitens: Ende März werden die Gasversorger ihre Preise weiter anheben – erneut „um einen zweistelligen Prozentbetrag“, wie der Bundesverband der Deutschen Gaswirtschaft ankündigte. Und das obwohl drittens der Ölpreis weiter sank. Opec-Öl kostete am Wochenanfang durchschnittlich 35 Dollar je Barrel. Anfang Oktober musste man noch über 50 Dollar zahlen.

Ölpreis und Gaspreis sind bekanntlich aneinander gekoppelt. Wieso soll der Gaspreis jetzt, wo Öl wieder billiger wird, weiter steigen? Das hängt mit den Lieferverträgen für Rohgas zusammen. Diese werden über sehr große Zeiträume abgeschlossen – teilweise bis zu dreißig Jahren. Um den Preisschwankungen innerhalb des Vertragszeitraumes Rechnung zu tragen, ist eine so genannte flexible Preiskomponente eingebaut. Wirtschaftswachstum, Energiehunger, Krieg oder Pipelineneubau – die Bedingungen, die auf dem Weltmarkt den Ölpreis bestimmen, sind dieselben für den Gaspreis. Allerdings ist das Preisbildungssystem so festgelegt, dass der Gaspreis dem Ölpreis ein halbes Jahr hinterherhinkt. Das bedeutet: Jene 10 Prozent, die unsere Gasrechnung seit Jahresbeginn belasten, stammen aus dem Juli 2004. Damals hatten eine Reihe von Anschlägen auf Pipelines im Irak, die Krise um den russischen Yukos-Konzern und Konflikte in den Ölländern Nigeria und Venezuela zu Lieferengpässen geführt. Der Ölpreis stieg um etwa 20 Prozent.

Die nächsten 10 Prozent, die die Ölversorger nun im April aufschlagen wollen, stammen aus dem Herbst 2004 – als der Ölpreis seinen Rekord erreichte. Mitte 2005, da ist der Bundesverband der Deutschen Gaswirtschaft sicher, wird wieder das Preisniveau vom Jahresanfang erreicht – weil heute Öl so teuer ist wie Mitte 2004.

Der Bundesverband der Energieverbraucher ist da nicht sicher: Er wirft den Versorgern Abzocke vor. Nach einer Untersuchung des Münchner Energiewirtschaftlichen Institutes setzt sich der Gaspreis nämlich wie folgt zusammen: 30 Prozent sind Steuern und Abgaben an den Staat. Weiterleitung und Verteilung schlagen mit 44 Prozent zu Buche. Handel und Einkauf machen also nur gut ein Viertel aus.

Angesichts eines Endverbraucherpreises von 4 Cent pro Kilowattstunde Brennwert dürften die Kosten folglich nur um 0,1 Cent steigen. Tun sie aber nicht: Die Gasrechnungen weisen zur Zeit eine Erhöhung um 0,4 Cent je Kilowattstunde aus. Ob die Gasversorger die Preise ungerechtfertigt erhöhen, lässt sich allerdings nicht beurteilen, höchstens vermuten. Denn die Unternehmen machen ihre Preisbildung nicht transparent.

Es bedarf also tatsächlich erst der aufsichtsbehördlichen Prüfung, um herauszufinden, ob die Gaswirtschaft fair zu ihren Kunden ist. Wir halten Sie auf dem Laufenden! NICK REIMER