In den Tag münden

NACHTLEBEN Helmut Geier alias DJ Hell hat ein Doppelalbum veröffentlicht. „Teufelswerk“ heißt das neue Werk der Techno-House-Legende und kommt mit prominenten Gästen wie Brian Ferry und P. Diddy daher

„Ich bin noch da und es läuft besser als zu Zeiten, in denen ich richtig in der Öffent- lichkeit stand“

VON JULIAN WEBER

An DJ Hell haben sich schon immer die Geister geschieden und das ist auch gut so. Während Spex das neue Album des bayerischen Produzenten und DJs in seiner aktuellen Ausgabe für die Kategorie „Album des Monats“ bestimmt hat, wurde er vom Tip vor nicht allzu langer Zeit als Verlierertype gebrandmarkt, der zu spät nach Berlin gezogen sei und den Hype um die weltberühmten Technoclubs verpasst habe. Womöglich war dem Autor gar nicht bekannt, dass Helmut Geier, wie Hell bürgerlich heißt, bereits Anfang der Neunziger Teil des Berliner Nachtlebens war und in Kreuzberg gelebt hat, wo er als Disponent im Plattenladen „Hardwax“ arbeitete. „Ich hab zweimal die Woche Neuigkeiten bestellt und war auch derjenige, der die unpopulären DJs mit Material versorgte. Die durften nur kommen, wenn ich hinterm Tresen stand. Das war die Ära des Trance, der in Berlin verpönt war.“

Statt Berghain und Watergate hießen die Clubs damals Planet und E-Werk. Im Prinzip ging es aber um die gleichen Themen: Wo ist die nächste Party? Wer legt zur Afterhour auf? DJ Hell sieht sich durchaus als Mitgestalter dieser Geschichte. Schon Anfang der Neunziger hat er Techno und House als ein Feld verstanden, das es zu beackern gilt. Sein erster eigener Track hieß „My Definition of House Music“ (1993). Auch Hells aktueller Track „The Angst“ erfreut sich als House-Remix des Berliners Henrik Schwarz großer Beliebtheit. Trotzdem wird Hell eher als Galionsfigur des Techno einsortiert.

Seine ersten DJ-Erfahrungen hatte er bereits 1987 gemacht, da legte er noch in Münchner Diskotheken auf. „Anfangs war es ein Aneinanderstückeln aktueller Songs, von Bronski Beat bis Acid-House, von Electro bis Hiphop.“ Die Mischung sei wild und die Montage minderwertig gewesen. „Ich wusste, dass da ein Fluss sein muss, dass die Beats irgendwie zueinander passen müssen.“ Mitte der Neunziger gründete Hell dann ein eigenes Label, DJ Gigolo, und gab vielen heute bekannten Namen Starthilfe. Hell war es auch, der den Hype um Electroclash losgetreten hatte und 2000 das Debütalbum von Fischerspooner veröffentlichte. Ab und an musste der bayerische DJ auch Kreide fressen. 1994 verlor er seine gesamte Plattensammlung bei einem Wohnungsbrand. Durch die Pleite des Efa-Vertriebs (2003) wurde auch sein Label an den Rand der Insolvenz gedrängt. Hell zieht Parallelen zur Schauspielkarriere von Mickey Rourke: „Der war ja nie weg, er hatte nur einfach keinen Erfolg. Ich bin auch noch da, und eigentlich läuft es momentan besser für mich als zu Zeiten, in denen ich richtig in der Öffentlichkeit stand.“

Hells neues Doppelalbum „Teufelswerk“ ist eine Art Hommage ans Nachtleben mit prominenten Gästen wie Brian Ferry und P. Diddy. Ferry hat er über dessen Sohn kennengelernt, der beim Modefotografen Mario Testino arbeitet und erklärter Hell-Fan ist. Auch der Vater war von den Ideen des Bayern begeistert und überließ ihm spontan die Bänder des unveröffentlichten Songs „U can dance“. Mit Ferry verbindet Hell auch die Inszenierung als Dandy. „Dress to success hab ich schon in früher Jugend praktiziert. Ich bin heimlich an den Hochzeitsanzug meines Vaters ran, der war schwarz, mit goldenen Nadelstreifen. Meine Mutter war schockiert und hat gesagt, den kannst du nicht tragen während der Woche. Ich komme ja vom Dorf. Trotzdem war Styling wichtig. Als ich noch Kfz-Schlosser war, kam mir das völlig normal vor, mich gut zu kleiden. Ich hab mich im Anzug stets gut gefühlt.“

P. Diddy hat schon öfter mit Hell kollaboriert. Für „Teufelswerk“ hat er einen extra niederträchtigen Raptrack namens „The DJ“ beigesteuert. Unterteilt in eine „Night“- und eine „Day“-Platte, fängt Hells neues Album selbstverständlich mit der Nacht an, um dann in den Tag hinein zu münden. „Teufelswerk“ hat 17 Tracks, fast alle sind in Wien unter der Regie von Peter Kruder entstanden. Den würde man gemeinhin nicht als House-affin einschätzen, aber die eine Hälfte des Downbeat-Duos Kruder & Dorfmeister ist ein alter House-Afficionado. „Er weiß genau, was er im Studio macht, lässt sich Zeit, geht immer noch tiefer. Auch wenn ich schon aufgegeben habe, schraubt er weiter und findet das Sounddetail, das für die Loops und die Basslinien wichtig ist. Ich bin kein guter Songwriter, ich bin nicht mal Musiker. Aber es ist auch nicht so, dass ich shoppen gehe, während meine Musik produziert wird.“

■ DJ Hell „Teufelswerk“ (DJ Gigolo), DJ-Set bei der Spex-Party, heute im Berghain. Und am 30. 5. im Cookies, am 31. 5 im GMF Weekend und am 13. 6. im Arena Club