Jugendkultur als positives Lebensgefühl

Überall werden die Kulturbudgets gekürzt. Hilden leistet sich ein Jugendkulturjahr. Die Kleinstadt an der Itter hat dafür eine Menge Geld und viel Arbeit investiert. Über 1.000 Jugendliche werden das Nonstop-Programm selbst gestalten

In Hilden hüpfen kommende Woche wieder Knallfrösche über die Straße. In der Area 51 findet die Eröffnungsparty zum Jugendkulturjahr 2005 mit Bürgermeister und DJ statt. Auch in Zeiten knapper Kassen will die Stadt ein Zeichen für die häufig in den Hintergrund gedrängte Jugendkultur setzen. Dafür hat Hilden den Veranstaltungsmarathon mit einem Budget von 125.000 Euro ausgestattet. „Das ist viel Geld für eine kleine Stadt, die wie das bekannte gallisches Dorf von Großstädten umzingelt ist“, sagt Kulturdezernent Reinhard Gatzke bei der Vorstellung der weit über 60 Teilprojekte. Über 1.000 Jugendliche werden daran aktiv beteiligt sein. Ziel sei es, die Eigenaktivitäten der Jugendlichen zu entwickeln und die Identifikation der jüngeren Generation mit ihrer Stadt zu steigern: Bürgermeister Günter Scheib (SPD) setzt auch auf positive Synergieeffekte in der Zukunft.

Den Hauptakzent des Programms, das als work in progress das ganze Jahr durchzieht, liefert, neben Literatur- und Kunstangeboten speziell für Jugendliche, die Musik. Neben einem lokalen Bandwettbewerb und Konzerten sind allein drei Musicals geplant, die in der 57.000 Einwohner-Stadt von Jugendlichen für Jugendliche produziert werden. Unter dem Begriff culture on the road werden in Zusammenarbeit mit den weiterführenden Schulen auch die Projekttage im Zeichen des Jugendkulturjahres stehen. Dann werden Fach- und Szeneleute des Archivs der Jugendkulturen Berlin unter seinem Leiter Klaus Farin HipHop, Skateboarding, Slam Poetry und Punk als Lebensgefühl präsentieren. „Ziel ist es, durch das gemeinsame Erleben und Diskutieren Intoleranz, Rassismus und Gewaltbereitschaft vor zu beugen“, sagt Farin. Denn im Augenblick sei das Bild der Jugend eher negativ geprägt. Positive Aspekte der zeitgenössischen Jugendkultur würden momentan nicht in die Öffentlichkeit transportiert.

Ein zusätzliches Bonbon bringen die Berliner Archivare auch nach Hilden. Im Wilhelm-Fabry-Museum hat die historische Dokumentation zum 50. Geburtstag der Jugendzeitschrift Bravo ihre Vorpremiere. Sie ist gleichzeitig eine außergewöhnliche Dokumentation bundesrepublikanischer Zeitgeschichte und auch ein Lehrstück in Sachen Medienwirkung.

Während der Ausstellung soll die Bevölkerung motiviert werden, sich selbst an ihre „Bravo-Geschichten“ zu erinnern und eigene Beiträge zu liefern. So erhält das überregional konzipierte Projekt eine lokale kulturgeschichtliche Färbung. Die gesammelten Beiträge der Zeitzeugen werden dann im Bravo-Jubiläumsjahr 2006 in Berlin und Wien gezeigt. PETER ORTMANN