Wahl des Chefs wird zur grünen Richtungsentscheidung

Auf dem Parteitag der Kölner Grünen könnte es heute krachen: Bei der Wahl des Vorstandssprechers bewirbt sich neben Amtsinhaber Jörg Penner auch Ex-Ratsmitglied Harald Junge. Manche Mitglieder fürchten, dass er als Kandidat der Fraktion die Partei „auf Linie“ trimmen will

Köln taz ■ Bei den Kölner Grünen steht heute Abend eine Richtungsentscheidung an. Bei den Kandidaturen für das Amt des Vorstandssprechers stehen sich mit Jörg Penner und Harald Junge zwei Kontrahenten gegenüber. Der eine steht für eine selbstständige Partei, der andere für eine engere Zusammenarbeit mit der Rathausfraktion. Das Rennen ist offen.

Der bisherige Amtsinhaber Penner ist seit vier Jahren an der Spitze des grünen Kreisverbands. Die Zahl der Mitglieder habe sich in seiner Amtszeit von gut 700 auf mehr als 850 erhöht, betont der 50-jährige Architekt: „Und das in einer Zeit, zu der viele andere Verbände deutlich geschrumpft sind.“ Der Parteiapparat sei professioneller geworden und die Grabenkämpfe innerhalb der Grünen hätten abgenommen.

„Es gibt Leute in der Fraktion, die die bisherige Arbeit des Parteivorstands kritisiert haben und die gerne einen Wechsel hätten“, räumt Penner allerdings auf Nachfrage der taz ein. Einigen scheint es dabei ein Dorn im Auge zu sein, dass die Partei Arbeitskreise eingerichtet hat, die sich mit kommunalpolitischen Fragen unabhängig von der Fraktion beschäftigen. Auch zum letzten Kommunalwahlkampf gab es unterschiedliche Ansichten. „Ich hätte mir gewünscht, dass man bessere Schwerpunkte inhaltlicher Art gesetzt hätte“, sagte Penner: „Wir hätten uns auf weniger Themen konzentrieren müssen. Der Wahlkampf war für mein Empfinden einfach zu breit angelegt.“

Für die Zukunft hat sich Penner jedenfalls auch vorgenommen, das Verhältnis zwischen Partei und Fraktion zu entkrampfen: „Egal wie die Vorstandswahl ausgeht, wird man aufeinander zugehen und die Zusammenarbeit intensivieren müssen.“ Sollte er nicht als Vorsitzender bestätigt werden, steht er dafür aber offenbar nur bedingt zur Verfügung. Denn als Beisitzer will er nach eigenen Angaben nicht kandidieren.

Sein Herausforderer Harald Junge hat im Kräftespiel zwischen Parteizentrale und Rathaus bisher auf der anderen Seite gearbeitet. Der 52-jährige Schulleiter hat zehn Jahre lang für die Grünen im Rat gesessen. „Ich habe mich jetzt für das Amt des Sprechers beworben, um insgesamt die Kommunikationsstruktur zu verbessern“, erklärte Junge gegenüber der taz: „Da ist einiges optimierungsfähig.“ Als Beispiel nannte er die Abstimmung der Kölner Delegierten auf überregionalen Parteitagen. Da habe es „sehr kreative Verhaltensweisen“ gegeben, stichelte Junge. Deshalb seien die Domstädter auch bei der Aufstellung der NRW-Liste für die Landtagswahl so schlecht angekommen. Durch klare Absprachen müsse das Gewicht des bundesweit größten grünen Kreisverbands künftig gestärkt werden.

„Ich kandidiere nicht gegen Jörg Penner, sondern für das Amt“, betonte Junge und hält sich mit direkter Kritik am Amtsinhaber zurück. Nur auf mehrfaches Nachfragen kritisierte er die mangelnde Geschlossenheit zwischen grünen Funktionsträgern in Partei und Fraktion. Die Vertrauensbasis müsse verbessert werden – und die Rollenverteilung mehr Beachtung finden. Seiner Meinung nach ist es vornehmliche Aufgabe der Partei, programmatische Diskussionen zu führen, während die Fraktion das Alltagsgeschäft macht. Jeder solle sich hier auf seinen Part konzentrieren.

Ein inhaltlicher Schwerpunkt der Parteiarbeit könnte zum Beispiel die Förderung der jungen Leute sein, sagte der Pädagoge Junge. In ökologischen oder sozialen Projekten könnten die „Jungen Grünen“ Sachkompetenz erlernen, die dann später in aktive Politik umsetzbar seien.

Was die beiden Kontrahenten so diplomatisch beschreiben, wird an der Basis zum Teil dramatischer gesehen. „Die Kandidatur Junges ist der Versuch der totalen Übernahme der Partei durch die Fraktion“, sagte ein Mitglied, das ungenannt bleiben möchte. Junge sei ein „Intimus von Fraktionschefin Barbara Moritz“. Der Vorstand solle jetzt „stromlinienförmig“ gemacht werden. Verständlich sei das kaum, habe doch der Kreisverband unter seinem Sprecher Penner die besten Ergebnisse aller Zeiten bei der Europa- und Kommunalwahl des vergangenen Jahres eingefahren.

Ohne Streit dürfte dagegen die Wahl der Sprecherin über die Bühne gehen, bei der nur eine Kandidatin antritt. Traditionell werden die Ämter des männlichen und des weiblichen Sprechers bei Kölns Grünen in getrennten Wahlgängen gewählt. Angelia Behring, Fraktionschefin der Grünen in Kalk und in den Arbeitskreisen Frauen und Lesben aktiv, will die Vorstandsarbeit vor allem als Schnittstelle zwischen landes- und bundespolitischen Themen und kommunaler Umsetzung sehen. Sie löst die bisherige Sprecherin Csilla Imre ab, die aus persönlichen Gründen nicht mehr antritt. Frank Überall