Französische Reporterin im Irak vermisst

Von Florence Aubenas, Korrespondentin der Zeitung „Libération“, fehlt seit vergangenem Mittwoch jede Spur

Florence Aubenas, Reporterin der linksliberalen französischen Zeitung Libération, ist Mitte Dezember in den Irak gereist. Seither hat sie über die Vorbereitungen für die Wahlen am 30. Januar geschrieben. Über die Flüchtlinge aus Falludscha. Und über ihre Kollegen Christian Chesnot und Georges Malbrunot, die 124 Tage lang in der Gewalt islamistischer Geiselnehmer waren. Mindestens zweimal täglich telefonierte die Reporterin vor Ort mit ihrer Redaktion in Paris. Bis vorigen Mittwochmorgen. Seither fehlt jedes Lebenszeichen von der 43-jährigen Französin und ihrem irakischen Übersetzer und Fahrer, Hussein Hanoun al-Saadi.

„Sorge“ und „Unruhe“ sind jetzt in Paris die meistgenutzten Worte, wenn von ihr die Rede ist. In der Presse sind ihr Name und Bild an die Stelle von Chesnot und Malbrunot gerückt, die kurz vor Weihnachten von französischen Geheimdienstlern befreit wurden. Und Staatspräsident Jacques Chirac fordert in Paris die Journalisten „förmlich“ auf, nicht mehr in den Irak zu reisen.

Florence Aubenas, die seit 18 Jahren bei Libération ist, hat schon in zahlreichen Krisengebieten gearbeitet. Unter anderem schrieb sie Reportagen über die Konflikte in Exjugoslawien, Ruanda, Afghanistan und Algerien. Mehrfach veröffentlichte sie anschließend Bücher. Davon einige zusammen mit dem Philosophen und Psychoanalytiker Miguel Benasayag.

Seit dem Beginn des US-amerikanisch geführten Irakkrieges im März 2003 gehört sie zu der kleinen Gruppe von Reportern ihrer Zeitung, die abwechselnd als Sonderentsandte für eine regelmäßige Berichterstattung sorgen. Al-Saadi betreut die Libération-Korrespondenten vor Ort.

Aber eine ausgesprochene Kriegsreporterin, die von einem bewaffneten Konflikt zum nächsten reist, ist Aubenas nicht. Sie ist eine Allround-Journalistin, die sich mit allen Facetten des Lebens, inklusive des Alltags in Frankreich, befasst. In Beschreibungen ihrer Kollegen ist Aubenas vor allem eine sorgfältige und einfühlsame Reporterin, die es schafft, auch unter schwierigen Umständen Kontakt zu ihrem Gegenüber herzustellen und anschließend fesselnde Reportagen und Porträts zu schreiben. Kollegen beschreiben ihren Charme und ihre Lebenslust. Eine Draufgängerin beschreiben sie nicht. Sondern eine Journalistin, die „das Risiko kennt und damit umgehen kann“.

In den Pariser Medien wird nun erneut über die Frage diskutiert, ob es sinnvoll ist, weiter Journalisten in den Irak zu schicken. Mehrere Redaktionen, darunter jene von Chesnot und Malbrunot, haben vorerst keine Leute in Bagdad. Der Direktor von Libération hingegen, Serge July, besteht in seiner Zeitung darauf, dass die Profi-Berichte aus dem Irak „unverzichtbar“ sind. „An dem Tag, an dem keine Journalisten mehr in Bagdad sind“, schreibt er, „werden Donald Rumsfeld, der US-Verteidigungsminister, und Abu Mussab al-Sarkawi, der Al-Qaida-Chef im Irak, die wichtigsten Informationsquellen sein.“

DOROTHEA HAHN