DER KÜNFTIGE PRÄSIDENT DER PALÄSTINENSER BRAUCHT SCHNELLE ERFOLGE
: Ohne Macht und Kontrolle

Die palästinensischen Präsidentschaftswahlen versprechen wenige Überraschungen. Erstens steht der Sieger seit langem fest: Abu Masen. Es wird also ein politisch moderater Mann der älteren Generation zum Nachfolger Arafats. Und zweitens: Auch heute werden die Palästinenser aufwachen und feststellen, dass die israelische Besatzungsherrschaft im Gaza-Streifen und im Westjordanland genau so weitergeht wie vor den Wahlen.

Selbst wenn viele Palästinenser hoffen, dass die Wahlen den Beginn eines demokratischen Prozesses darstellen und dass am Ende ihre eigenen Institutionen transparenter und rechenschaftspflichtig werden – ihr Hauptproblem bleibt ungelöst: die israelische Besetzung. Abu Masen könnte sich schnell als Opfer dieses Problems erweisen. Er kritisiert die bewaffnete Intifada und möchte auf Verhandlungen setzen. Viele widerstandsmüde Palästinenser hoffen, dass er tatsächlich eine ernsthafte politische Alternative erreichen kann. Doch da hängt Abu Masen vollkommen vom guten Willen des Besatzers ab.

Der neue Palästinenserpräsident muss mit seiner friedlichen Strategie bald Erfolge vorweisen, etwa die Freilassung der 8.000 Palästinenser aus israelischen Gefängnissen oder ein Ende der Belagerung palästinensischer Städte im Westjordanland. Sonst werden die Militanten für sich die erfolgversprechendere Strategie in Anspruch nehmen. Sie werden verkünden: die israelische Armee ziehe sich aus dem Gaza-Streifen aller Voraussicht nach noch in diesem Jahr zurück, weil es regelmäßig Anschläge gäbe. Wenn sich Abu Masen mit seiner Verhandlungsstrategie als machtlos erweisen sollte, wird er schnell den Respekt seiner Landsleute verlieren.

Das ist der Unterschied zu der palästinensischen Ikone Arafat, der in den letzten Jahren seine Schwäche hinter seinen großen Verdiensten verstecken konnte. Normalerweise hat ein gewählter Präsident zwei Dinge, um seine Ideen umzusetzen: Macht und Kontrolle. Der palästinensische Wahlsieger wird weder das eine noch das andere haben.

KARIM EL-GAWHARY