1-EURO-JOBS IN DER WIRTSCHAFT VERSTÄRKTEN DAS LOHNDUMPING
: Geld oder Gesetz

Die großen Wirtschaftsverbände in diesem Land haben sich festgelegt: Sie drücken die Löhne der Beschäftigten so weit, wie es machtpolitisch geht. Der neueste Vorschlag von Martin Wansleben, dem Chef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), fügt dieser Strategie eine interessante Wendung hinzu. Die Forderung nach Lohnsenkung geht einher mit einem Kaufangebot an die Bundesagentur für Arbeit.

Während das rot-grüne Gesetz die 1-Euro-Jobs wesentlich auf gemeinnützige Tätigkeiten beschränkt, will Wansleben die Billiglöhner auch in normalen, marktwirtschaftlichen Betrieben einsetzen. Als Anreiz bietet er den staatlichen Arbeitsagenturen an, die Firmen könnten jeweils eine Vermittlungsgebühr von bis zu 4 Euro pro Stunde zahlen – ähnlich den Honoraren für Zeitarbeitsfirmen. Nicht nur den Erwerbslosen, sondern auch den klammen Agenturen wäre damit geholfen, so das Kalkül. Angesichts der Sparzwänge der öffentlichen Haushalte müsste zusätzliches Geld der Arbeitsverwaltung doch durchaus willkommen sein. Ein schönes Indiz für die Machtverschiebung zwischen Staat und Wirtschaft: Während es den Unternehmen zunehmend gelingt, formelles Recht zu unterlaufen, indem sie ihre Steuerzahlung reduzieren, bieten sie andererseits freiwillige Zugeständnisse und befristete Vereinbarungen. Dieses „weiche“ Recht bindet die Wirtschaft aber nicht so stark wie das „harte“ Recht der Gesetze.

Auch sonst ist der Vorschlag des DIHK verräterisch. In welcher Zeitarbeitsfirma beträgt das Verhältnis zwischen dem Lohn, den der Beschäftigte bekommt, und der Vermittlungsgebühr 1 zu 4? Warum, so kann man weiter fragen, bietet eine Firma dem Erwerbslosen nicht gleich eine Stelle für 5 Euro pro Stunde, wenn sie ihm 1 Euro und der Arbeitsagentur 4 Euro zahlen wollte? Dies wäre ein diskutables Angebot – das freilich nicht dem Bestreben des DIHK und Bundesverbandes der Deutschen Industrie entspricht, die Gewerkschaften mittels Lohndumping zu niedrigeren Abschlüssen zu zwingen. Das Gute an Wanslebens Vorschlag: Er kann als Eingeständnis gelten, dass er seine Mitgliedsfirmen für durchaus in der Lage hält, anständige Löhne zu zahlen. HANNES KOCH