Industrie will auch Ein-Euro-Billiglöhne

1-Euro-Jobber sollen auch in der Privatwirtschaft arbeiten, fordert Martin Wansleben, Chef des Verbands der Industrie- und Handelskammern. Arbeitsagenturen könnten Vermittlungsgebühr erhalten. Rot-Grün lehnt ab: Missbrauch nicht zu verhindern

„Wir sollten nicht die Tür aufstoßen für Billigarbeit“

VON HANNES KOCH

Mit Kritik hat Rot-Grün die Forderung des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) aufgenommen, 1-Euro-Jobs auch in der Privatwirtschaft anzubieten. „Ein flächendeckender Einsatz geht an den betrieblichen Realitäten vorbei“, erklärte gestern Markus Kurth. Der sozialpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag fürchtet, viele Betriebe würden die Arbeitslosen als Niedriglöhner ausnutzen, anstatt ihnen zu einer festen Stelle zu verhelfen.

Der Geschäftsführer des DIHK, Martin Wansleben, hatte vorgeschlagen, 1-Euro-Jobs auch in normalen Firmen einzuführen. Die Erwerbslosen könnten 1 Euro pro Stunde erhalten, so Wansleben. Außerdem sollten die Firmen an die staatlichen Arbeitsagenturen „eine marktgerechte Gebühr“ von 3 oder 4 Euro pro Stunde zahlen – als Preis für die Vermittlung.

Bisher sind die 1-Euro-Jobs per Gesetz auf „gemeinnützige“ und „zusätzliche“ Tätigkeiten beschränkt. Erwerbslose bekommen ihr Arbeitslosengeld-II weitergezahlt und können rund 1 Euro pro Stunde hinzuverdienen. Die Idee von Rot-Grün: Arbeitslose bessern ihre Finanzen minimal auf, erledigen für eine begrenzte Zeit öffentliche oder karitative Aufgaben und kommen wieder in Kontakt zu einem geregelten Arbeitsleben.

Die Arbeit in Privatfirmen ist für 1-Euro-Jobber laut Gesetz nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Tätigkeiten in privat geführten Altenheimen beispielsweise sind denkbar – wenn der Status der Gemeinnützigkeit gewahrt bleibt. Industriebetriebe dagegen sind nicht gemeinnützig.

„Das Gesetz wird nicht geändert“, sagte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Thea Dückert. Während ihr Kollege Kurth sich immerhin „Modellversuche“ in der Wirtschaft vorstellen kann, hält Dückert den Einsatz in nicht gemeinnützigen Unternehmen für „nicht sinnvoll“. Es sei nicht sicherzustellen, dass die 1-Euro-Jobs keine normalen Stellen ersetzen. SPD-Finanzpolitiker Florian Pronold sagte, der DIHK wolle das „Lohnniveau drücken“.

Die Meinungen der Wirtschaft über die 1-Euro-Jobs gehen weit auseinander. Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes etwa ist dagegen. Das Argument: Mit hoher staatlicher Subvention würden sich einzelne Unternehmen einen Lohnvorteil verschaffen. Um dies auszuschließen, enthält das Gesetz den Passus, dass 1-Euro-Jobber nur „zusätzliche“ Tätigkeiten ausführen dürfen, die normale Unternehmen nicht anbieten.

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