Die Kämpfe um das deutsche Grundgesetz

Seit Einführung des Grundgesetzes 1949 wurde es mehr als 50-mal geändert. Einige Etappen:

1956: Nach dem Zweiten Weltkrieg war Deutschland entmilitarisiert. Kanzler Konrad Adenauer (CDU) wollte jedoch, dass die Bundesrepublik der Nato beitritt und Deutschland damit fest im Westen integriert wird. Gegen heftige Widerstände wurde deshalb 1955 die Bundeswehr gegründet. Im Zuge der Wiederbewaffnung wurde Artikel 87a ins Grundgesetz eingeführt („Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf.“)

1968: Nach fast zehnjähriger Diskussion führt die große Koalition eine Notstandsverfassung ein. Seitdem darf die Bundeswehr bewaffnete Aufstände niederschlagen. Damit wurde eine Bedingung der alliierten Siegermächte erfüllt, die in der Folge eigene Rechte zur Ausrufung des Notstands aufgaben. Die außerparlamentarische Opposition (APO) fürchtete die Vorbereitung einer neuen Diktatur, erreichte aber immerhin, dass im Notstand die Exekutive nicht allein handeln kann, sondern ein Notparlament gebildet wird.

1983: Das Bundesverfassungsgericht stoppte die umstrittene Volkszählung, die mit einem Melderegisterabgleich verbunden war. Ohne Änderung des Grundgesetzes führte das Gericht dabei faktisch ein Grundrecht auf Datenschutz ein. Seit diesem Volkszählungsurteil gilt jede staatliche Datenspeicherung als Eingriff in die „informationelle Selbstbestimmung“. Für die Einführung neuer Polizeibefugnisse ist seither ein Gesetz erforderlich.

1992/1994: Nach der Wiedervereinigung hatten Bürgerrechtler eine neue Verfassung gefordert, sie blieben aber ohne Breitenwirkung. Stattdessen richteten Bundestag und Bundesrat nur eine Verfassungskommission ein, die einige Änderungen des Grundgesetzes vorschlug. Daraufhin wurde zunächst in Artikel 23 die Mitarbeit Deutschlands in der EU geregelt. In einem zweiten Paket wurde unter anderem der Umweltschutz als Staatsziel (Artikel 20a) eingeführt.

1993: Nach jahrelanger CDU/CSU-Hetze gegen das Grundrecht auf Asyl stimmte auch die SPD seiner faktischen Abschaffung zu. Wer über sichere Drittstaaten einreist, kann sich nicht mehr auf das Grundrecht berufen. Flüchtlinge müssen sich nun in der Regel auf die Genfer Flüchtlingskonvention stützen. Dass die Zahl der Asylbewerber zurückging, ist weniger Folge der Grundgesetzänderung als der strikten EU-Grenzkontrollen.

1997: Per Grundgesetzänderung wird das Abhören von Wohnungen zur Strafverfolgung ermöglicht. Das war bis dahin nur zur Gefahrenabwehr zulässig. Jahre später forderte das Bundesverfassungsgericht Vorkehrungen zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung.

2006: Jahrelang wurden Aufgaben von den Ländern auf den leistungsfähigeren Bund verlagert. Dies drehte die Föderalismusreform I zurück. Die Länder erhielten die Kompetenz für Gesetze über Strafvollzug, Demonstrationen und Gaststätten. CHR