Streik der letzten Hoffnung

Seit einem Jahr dauert der Busfahrerstreik der Leverkusener Herweg Busbetriebe nun an. Jetzt zeichnet sich ein Ende ab: Arbeitgeber und Gewerkschaft „sondieren“ über einen Haustarifvertrag

Von Jürgen Schön

Im Streikzelt an der Betriebseinfahrt gab es gestern mal wieder belegte Brötchen und Kaffee von der Streikleitung. Ein karges Festmahl für einen der längsten Streiks in der Geschichte der Bundesrepublik: Am Sonntag vor einem Jahr waren die Busfahrer der Leverkusener Herweg Busbetriebe (HBB) für mehr Lohn in den Ausstand getreten. Seitdem stehen die rund 50 Männer und Frauen Posten an der Borsigstraße im Leverkusener Stadtteil Opladen. Bei Hitze und Kälte, bei Sonne, Regen, Schnee. Für ein Streikgeld der Gewerkschaft, das rund 80 Prozent des Nettolohns beträgt. Doch jetzt scheint ein Ende nah. „Wir führen Sondierungsgespräche“, sagt Ver.di-Gewerkschaftssekretär Peter Wittke und hofft auf ein Ergebnis „Ende Februar“. „Beide Seiten haben Kompromisse gemacht“, ergänzt Betriebsratsmitglied Günther Schank.

Die HBB betreiben den öffentlichen Personennahverkehr im Großraum Leverkusen im Auftrag der Leverkusener Muttergesellschaft Kraftverkehr Wupper-Sieg (Wupsi). Die gehört zu gleichen Teilen der Stadt Leverkusen und dem Rheinisch-Bergischen Kreis. Die HBB-Beschäftigten erhalten etwa 30 Prozent weniger Lohn als die der Wupsi. Dabei beruft sich die HBB-Geschäftsführung auf einen Tarifvertrag mit einer „Gewerkschaft öffentlicher Dienst“. Bei der aber ist kein Streikender Mitglied, kein Vertreter dieser Arbeitnehmervertretung hat sich je blicken lassen.

Am Anfang des Streiks hatte man wohl tatsächlich noch den Traum, die Herweg-Löhne denen der Wupsi anzupassen. Doch schnell kehrte Realismus ein. Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di als Vertreter der Busfahrer betonte immer, dass man auf die besonderen Bedingungen des Unternehmens Rücksicht nehmen wolle. Sie forderte nun einen Haustarifvertrag mit leicht erhöhten Bezügen.

Doch Geschäftsführung und Politik verweigerten lange jegliche Gespräche. Der Verdacht der Gewerkschaft: Nach den Kommunalwahlen im September 2004 sollte HBB verkauft werden, da hätten höhere Löhne den Kaufpreis gesenkt. Erst seit Leverkusen einen neuen Bürgermeister hat – Ernst Küchler (SPD) löste Paul Hebbel (CDU) ab – kam Bewegung in die starren Fronten.

Von Beginn an war es ein Arbeitskampf mit Haken und Ösen. Das Arbeitsgericht verbot den Wupsi-Busfahrern einen Solidaritätsstreik. Aber vergeblich versuchte die Wupsi-Geschäftsführung, eine ganztägige Betriebsversammlung zu verbieten, in der über die Folgen einer möglichen Privatisierung informiert werden sollte. Es gab Auto- und Fahrraddemonstrationen, um die Öffentlichkeit auf den Streik hinzuweisen. Auf den umliegenden Wochenmärkten wurden regelmäßig Flugblätter verteilt – Aktionen, die inzwischen eingestellt wurden. Und die Fahrgäste merken schon lange nichts mehr vom Streik. Fiel anfangs noch ein Großteil der Busverbindungen aus, wurden die Linien inzwischen an Subunternehmer vergeben. „Wirtschaftlich hat uns der Streik durchaus genutzt“, gesteht HBB-Geschäftsführer Marc Kritkowski der taz.

„In den letzten Wochen standen wir fast allein“, berichtet Wittke, „Unterstützung kommt nur noch vom engsten Bekanntenkreis und den Familien.“ Und ab und zu winkt ein Wupsi-Busfahrer verlegen, wenn er an seinen Kollegen vorbeifährt. Auch wenn sich alle entschlossen geben, bis zu einer Lösung durchzuhalten, weiß Schank: „Wir sind froh, wenn das alles vorbei ist.“