Viel Bauer, wenig Vöglein

Die CDU erschreckt schleswig-holsteinische Naturschützer mit ihren Thesen zu „neuen Prioritäten“ für Agrar und Umwelt. Worauf müssen sich Eiderente und Freunde einstellen? Eine Auswertung

von Esther Geißlinger

Eine „überzogene Ideologisierung des Naturschutzes und eine entmündigende Regelungswut“ macht Schleswig-Holsteins designierter Landwirtschafts- und Umweltminister Christian von Boetticher bei der rot-grünen Landesregierung aus. „Nichts Neues und viel Falsches“ knurrte dagegen der grüne Amtsinhaber Klaus Müller gestern, nachdem die CDU ihre Pläne zu Agrar und Umwelt vorgestellt hatte. Bei einem Wahlsieg der CDU am 20. Februar befürchten die Grünen das Schlimmste: „Umwelt und Naturschutz werden zuerst beschnitten, dann ausgetrocknet und zum Schluss einbetoniert“. Die taz hat die CDU-Thesen einmal gut aufgeschüttelt und guckt, was hinausfällt.

„Wir werden für Landwirtschaft und Umwelt neue Prioritäten setzen.“

Genau, das gleichnamige Ministerium gibt es ja bereits. Die knifflige Frage: Zu wessen Gunsten werden die Prioritäten wohl gesetzt? Wird ein zukünftiger CDU-Umweltminister Christian von Boetticher jemals vergessen, dass er von Bauern und nicht von Piepmätzen und deren Freunden gewählt wurde?

„Die Gebietskulisse der gemeldeten Natura-2000-Gebiete wird überprüft und gegebenenfalls reduziert.“

Klarer Fall, die CDU hofft auf Stimmen aus Eiderstedt und dem Eider-Treene-Sorge-Gebiet: Beide Bereiche sind großflächig mit Vogelschutzgebieten überplant worden, begleitet von teilweise wütenden Demos von Landwirten, die fürchten, auf ihren Äckern nicht mehr frei wirtschaften zu können. Die EU allerdings drängt darauf, dass Flächen zügig gemeldet werden. Ob sich von Boetticher ein Beispiel am niedersächsischen Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) nimmt, der sich weigert, die Flussmündungen von Weser und Ems zu melden – trotz angedrohter Strafen in Höhe von bis zu 790.000 Euro täglich?

„Vertragsnatur- und Vertragswasserschutz erhalten Vorrang vor Schutzgebietsausweisungen.“

Da klatscht eigentlich fast jeder in die Hände – wenn es freiwillig geht, warum dann mit Zwang? So existieren im Land bereits mehrere gut funktionierende Modelle für Vertragsnaturschutz. Der besteht darin, dass Landwirte Flächen stilllegen und dafür eine Prämie von der öffentlichen Hand kassieren. Für einige bäuerliche Betriebe bedeutet das schon heute einen netten Nebenverdienst.

„Die EU-Wasserrahmenrichtlinie wird unter Ausschöpfung des europarechtlichen Zeitrahmens und unter Mitwirkung der Eigentümer nach optimalen Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten umgesetzt.“

Für die Grünen ist diese Richtlinie eines der großen Projekte der nächsten Legislaturperiode. Es geht dabei um die Renaturierung von Flüssen, Bächen und Seen – ein Riesenprojekt, das zahlreiche Feuchtbiotope entstehen lässt, in denen nicht nur seltene Tier- und Pflanzenarten siedeln, sondern die sich vor allem touristisch ausnutzen lassen. Nicht Gutes ahnen lässt da die verklausulierte „Eigentlich-ganz-schön-aber-man-muss-ja auch-an-die-Kosten-denken“-Formel der CDU. Goodbye, ihr sanften Touristen.

„Die Abschaffung des LANU wird geprüft.“

Nach dieser wüsten Drohung dürfte in den Büros des Landesamtes für Natur- und Umweltschutz (LANU) nach einem Wahlsieg der CDU das große Zittern beginnen. Allerdings: So leicht sind Behördenstellen nicht zu kegeln. Daher soll vor allem umgeschichtet und neu benannt werden. Statt Ämtern für ländliche Räume und den Umweltämtern wird es dann Ämter für Landwirtschaft und Umwelt geben, schlägt die CDU vor. Rin in de Kartoffeln, rut ut de Kartoffeln: Erst 1996 entstand das LANU, das aus vier anderen Ämtern und Behörden zusammengelegt wurde. Was es genau bringt, diese Struktur zu zerschlagen und neu aufzubauen – außer vielleicht ein paar arbeitslose Umweltexperten mehr – steht in den Sternen.

„Daraus ergibt sich unter anderem der Verzicht auf Landschaftsrahmen- und Grünordnungspläne.“

Ja, es ist dröge, wenn in Klein-Krummersbeck-Fallholtz der Gemeinderat drei Sitzungen lang über den entsprechenden Papieren und Gutachten brütet. Aber jedes Dorf ist heute eigentlich fertig damit, schließlich galt bisher, dass kleinere Pläne – etwa für ein neues Bau- oder Gewerbegebiet – nur genehmigt werden, wenn sich die Gemeinde ein Gesamtkonzept, also einen Rahmenplan, gegeben hatte. Nur Nachzüglern würde es nützen, dass die CDU nun vorschlägt, auf diese Prozedur zu verzichten. Die meisten Bürgermeister werden eher knurren – die Pläne sind schließlich bereits bezahlt.