Die mit den Tieren redet

Die ehemalige Krankenschwester Tatjana Hoppe behauptet, sie könne die Sprache der Tiere verstehen und sich mit ihnen unterhalten. Tierfreunde bezahlen die „Tierdolmetscherin“ dafür, dass sie ihrer Katze erklärt, warum Menschen es nicht mögen, wenn Tiere ins Waschbecken pinkeln

Das Kaninchen will nicht länger mit dem „mickrigen“ Meerschweinchen zusammenlebenDie Goldfische meinten vor kurzem, im Aquarium reichten ihnen auch Plastikpflanzen

von Kai Schöneberg

Vielleicht hätte der Doktor Doolittle beim Plausch mit der Muschel nicht auf einen Übersetzer zurückgreifen müssen, wenn er Tatjana Hoppe gekannt hätte. Diese Frau kann wohl mehr als der Fernseh-Doktor. Eine Amsel erzählte ihr, sie solle lieber mit den Fischen reden. Auch mit den Ameisen im Garten hielt Hoppe ein Schwätzchen. Und Brennnesseln stechen die Frau, die sich tatsächlich „Tierdolmetscherin“ nennt, nicht, weil sie sich den wehrhaften Pflanzen nur „in dankbarer Art“ nähern will.

Beweise, Beweise, das ist doch alles Humbug! Esoterik-Mumpitz. Das sagen viele. Aber was sind schon Beweise gegen die Erfüllung eines alten Menschheitstraums? Und was entgegnet Tatjana Hoppe den Skeptikern? „Man kann es an der Wirkung sehen“, sagt die Frau aus Hannover. Und: „Meine Tiergespräche haben immer eine Wirkung“.

Da ist die Katze, die sich nichts draus machte, regelmäßig ins Waschbecken zu pinkeln. „Sie dachte, das wäre hygienisch, der Geruch aus dem Abfluss erinnerte sie an Erde“, sagt Hoppe. Weil ihr der Respekt vor der Kreatur absolut wichtig ist, brachte sie der Katze schonend bei, dass Herrchen und Frauchen das gar nicht prima fänden – die Katze wurde stubenrein, beteuert sie. Da ist auch der Hengst, von dem Hoppe erfahren hatte, dass der etwas gegen übermäßiges Striegeln hatte. Oder der Hund, dem sie durch „Einspüren“ den Durchfall wegheilte. Oder das Kaninchen, das ihr erklärte, es wolle nicht länger mit dem „mickrigen“ Meerschweinchen zusammenleben.

Tica sitzt auf dem Sofa, schnieft mal in Richtung Frauchen, kratzt dann eine Grube ins Polster. Tatjana Hoppe sitzt daneben, schaut ernst und kritzelt in ihre Kladde. Ein Protokoll. Irgendwie will sie dann das Stirn-Chakra des fünfjährigen Mischlings geöffnet haben. Konzentration. Tica fühle sich von der Interview-Situation „etwas überfordert“, dolmetscht Hoppe. Aber mit den Menschen reden, das gebe ihr schon das Gefühl „privilegiert“ zu sein, sagt der Hund. Tica kratzt sich. Und hat ein paar Wünsche an uns. „Dass die Menschen offen und wahrhaftig sind, denn ich bin eine ganze Person, sehr stark und kräftig“. In früheren „Gesprächen“ will Hoppe dem Hund entlockt haben, dass sein „schönstes Erlebnis war, ein Kaninchen gerissen zu haben“.

Schon als Kind wurde die gelernte Krankenschwester eine Woche lang krank, als ihr Meerschwein starb. Seit acht Jahren ist sie Veganerin. Jetzt reicht es für die Mutter von zwei Kindern immerhin zum Nebenerwerb durchs Tierdolmetschen. 30 Euro kostet ein Dialog. Tierfreunde rufen sie, wenn der Hund Passanten verbellt, sich am Hauskater vergreift. Oder, um zu klären, wo das Tier im Urlaub untergebracht werden will.

Mindestens zwei Mal die Woche ist Hoppe schon im Dienst. Nicht schlecht für eine Methode, die auch wenn man es vorsichtig beschreibt, eher exotisch zu nennen ist. Aber „Tierdolmetschen“ ist sogar ein Trend. Hoppe: „Als ich vor drei Jahren den ersten Tierkommunikations-Kurs belegte, gab es in Deutschland erst zwei Lehrer. Heute sind es bestimmt 20.“

Eines ihrer Spezialgebiete ist die Sterbebegleitung – und auch mit diesen letzten „Gesprächen“ hilft Hoppe nicht nur den Tieren, sondern auch den ratlosen Haltern. Für viele ist es wohl so, als gehe bald das eigene Kind. „Die Katzen erzählen gerne, was sie früher für heiße Feger waren“, sagt Hoppe. Und dass kranke Tiere nicht zu Medikamenten gezwungen werden wollten. Manche bitten noch um ein letztes ruhiges Wochenende, bevor sie eingeschläfert werden. Vor allem aber um „kein Geschrei, keine lauten Stimmen“.

Und natürlich gibt es auch „Wunder“, wenn auch nur kleine. Das Pferd, das Frau Hoppe erzählte, da habe jemand aus „dem Eckigen das Runde“ gemacht, meinte in Wirklichkeit, dass der Besitzer gerade aus dem runden ein eckiges Gatter gebaut hatte – was Hoppe angeblich nicht wissen konnte. Oder der Kater, der ihr „mitteilte“, wohin er sich verlaufen hatte. Sehen muss Tatjana Hoppe ihre Probanden nicht zwangsläufig: Die Behandlung funktioniert auch mit einem Foto.

Das Gespräch mit den Tieren gebe ihr „vollkommen neue Eindrücke“, sagt Hoppe. Und es macht sie auch glücklich, denn „die Tiere lügen nicht“. Sie sprechen auch nicht über Politik. Ihre Goldfische meinten vor kurzem, im Aquarium reichten auch Plastikpflanzen. Eine Katze maunzte, sie könnte ihren Geruch nicht wegputzen. Eine andere beschwerte sich, weil sie nicht über den Zaun springen konnte – weil sie nicht wusste, dass der elektrisch ist. Ein Pferd klagte ihr, seine „Welt ist so gerade“. Und damit meinte, dass es nur auf rechtwinkligen Wegen und gezirkelten Wiesen laufen dürfe. Auch das hat Tatjana Hoppe sehr beeindruckt.