Das Platzreh

Seit über zehn Jahren glänzt Despina Pajanou in der Krimiserie „Doppelter Einsatz“. Heute zeigt RTL neue Folgen mit neuer Partnerin (20.15 Uhr)

VON HANNAH PILARCZYK

Wenn im Fernsehen alles mit rechten Dingen zuginge, wäre Despina Pajanou heute das Gesicht von RTL und nicht Günther Jauch. Seit 1994 ist ihre Krimiserie „Doppelter Einsatz“ eine Insel der Qualität im Programm des Kölner Privatsenders, mit ihr gewann sie den Bayrischen Fernsehpreis und dreimal den Deutschen Fernsehpreis (u. a. 1999 als beste Serie). Trotzdem ist die Geschichte von „Doppelter Einsatz“ eine stille Erfolgsgeschichte – vielleicht, weil man es einfach nicht wahrhaben will, dass sich im Privatfernsehen eine Serie halten kann, die den Durchschnitts-„Tatort“ regelmäßig um Längen übertrifft. So furios, wie die elfte Staffel heute startet, ist es höchste Zeit für einen Tusch.

Wieder eine neue Kollegin. Als das Flugzeug von Kriminalkommissarin Ellen Ludwig abstürzt, wird aus Urlaubsvertretung Caroline Behrens (Eva Herzig) plötzlich die neue Partnerin von Sabrina Nikolaidou (Despina Pajanou). Dreimal – das ist das Gesetz der Serie „Doppelter Einsatz“ – hat Sabrina bereits ihre engste Bezugsperson bei der Hamburger Kripo verloren. Dreimal musste sie sich auf eine völlig neue Persönlichkeit einstellen – beim vierten Mal droht sie daran zu zerbrechen. Ihren Schmerz betäubt sie mit Rotwein, ihre Wut lässt sie an der neuen aus. Wer sich an ihrer Seite halten will, so die Regeln des Platzrehs, muss mehr als Geduld mitbringen, der muss ihre Provokationen wegstecken können. Caro Behrens scheint das anfangs nicht zu können. Als allein erziehende Mutter, die bereits auf mehreren Posten gescheitert ist, ist sie schon genug damit beschäftigt, ihre vielleicht letzte Chance bei der Kripo zu nutzen. Doch als sich Sabrina in direkter Konkurrenz zu ihr als verdeckte Ermittlerin an einer Schule einschleusen lässt, fängt Caro an zu kämpfen.

Mit dramaturgischer Präzision verbindet Regisseur Dror Zahavi (Bayrischer Fernsehpreis für die „DE“-Folge „Die Todfreundin“) den Kampf der so unterschiedlichen Frauen gegeneinander mit dem eigentlichen Fall. Eine Lehrerin wird auf der Schultoilette erstochen. Statt für Entsetzen sorgt der Mord unter den Schülern aber nur für Desinteresse. Als Kinder des Hamburger Problemstadtteils Wilhelmsburg ist Gewalt für sie normal. Wie brutal ihr Alltag tatsächlich ist, erfahren Sabrina und Caro aber erst, als sie als Undercover-Lehrerinnen an der Schule anfangen. Doch da ist es für Sabrina fast schon zu spät: die Schüler schlagen sie krankenhausreif, nur Caro kann im letzten Moment das Schlimmste verhindern – und so endlich Sabrinas Respekt gewinnen.

Eine zarte Annäherungsgeschichte inmitten einer brutalen Rahmenhandlung ist die Folge „Mord auf dem Stundenplan“ geworden. Und gleichzeitig der Beweis dafür, dass die möglichen Konstellation bei einem Frauen-Duo noch längst nicht ausgereizt sind. Dabei war „Doppelter Einsatz“ die erste Serie im deutschen Fernsehen, in der zwei Kommissarinnen ermittelten. Doch von Abnutzungserscheinungen keine Spur: Immer wieder gelingt es den Autoren, ihre Figuren jenseits aller Zickigkeit so aufzustellen, dass sie sich in Bewegung halten. Maßgeblichen Anteil an dieser dynamischen Statik, die schon seit acht Jahren über die volle Spielfilmlänge trägt, hat dabei Despina Pajanou, die aus ihrer Rolle als Sabrina immer wieder neue Liebe und neuen Hass entwickeln kann – und eigentlich beides gleichzeitig darstellen kann. Ob RTL weiß, was es an ihr hat?

Wahrscheinlich nicht. Denn wie gesagt: Wenn es mit rechten Dingen zuginge, würde RTL den heutigen Staffelstart groß bewerben – und Despina Pajanou statt Skispringer von den Plakatwänden lächeln lassen.