BERNHARD PÖTTER über KINDER
: Nur Harry Truman hört mein Seufzen

Nächste Woche wird in den USA ein neuer, alter Präsident vereidigt. Ich weiß, wie sich das anfühlt

I am Bernhard Poetter and I report for duty!

John Kerry wird es überleben, dass ich ihm diesen Satz klaue. Er braucht ihn ja nicht mehr. Ich schon. Denn am 20. Januar, wenn der neue, alte US-Präsident Bush ins Amt eingeführt wird, werde auch ich mein neues Amt antreten. Kerry ist gescheitert. Ich habe es geschafft.

Noch gibt es jede Menge Fragen. Soll ich zackig salutieren? Soll ich meine Veteranen-Uniform anziehen? Werden die Kinderchöre singen? Alles muss perfekt sein, wenn ich mich feierlich zum Dienst melde. Auf der Marmor-Freitreppe vor unserer Kita werde ich den Amtseid auf die Kinderbibel ablegen. Schließlich trete ich meine dritte und letzte Amtszeit als Präsident dieser Familie an.

Ein bitterer Wahlkampf liegt hinter uns. Die Amtsinhaberin wollte nicht einsehen, dass ihr Mandat abgelaufen war. Dass das Volk unverbrauchte Ideen und neue Gesichter wollte. Dass es für die innere Sicherheit, die auswärtigen Beziehungen, die Gleichberechtigung der Frau und die ökonomische Situation unseres Gemeinwohls besser ist, wenn sie arbeitet. Und ich hier das Ruder übernehme.

Der Machtkampf hat Spuren hinterlassen. Vor allem, als diese Verleumdungskampagnen anfingen. Anonyme Briefe lagen auf meinem Schreibtisch: „Pötter füttert Aldi-Kost.“ Angebliche Mitstreiter aus früheren Zeiten tauchten auf: „Pötter ist inkompetent. Vielleicht sogar inkontinent.“ Kurzum: Man zweifelte an meinen family values.

Nicht, dass mich das überrascht hätte. „Es wird sehr einsam in dieser Position“, hatten Freunde gewarnt. Nur zwei Prozent aller Männer setzen sich diesen Strapazen aus. Die anderen 98 Prozent wissen, warum sie es nicht tun.

Doch mein Pflichtbewusstsein hat gesiegt. Eine ganze Legislaturperiode, vier lange Jahre, habe ich hier von dieser Stelle aus öffentlich Politikberatung betrieben. Nun ist es an der Zeit, den Worten Taten folgen zu lassen. Ich weiß, dass die Menschen in unserem Land das von mir erwarten. Hunderte von Zuschriften, tausende von Gesprächen mit Menschen auf der Straße und Millionen von erwartungsvollen LeserInnen haben mir gezeigt: Das Wohl der Gemeinschaft steht auf dem Spiel.

Ein Abstecher ins reale Leben tut allen Schreibtischtätern gut. Und er wird – das sei an dieser Stelle einmal ausdrücklich und lobend erwähnt – von meinem Arbeitgeber ja auch ausdrücklich unterstützt. In der taz gibt es viel Verständnis für Randgruppen. Also auch für Eltern. Wir arbeiten flexibel, wir arbeiten Teilzeit, wir arbeiten zu Hause, wir bringen die Kinder mit in die Redaktion. Irgendwann verliert man den Überblick, ob man jetzt gerade auf der Redaktionskonferenz oder im Kita-Morgenkreis sitzt. Und vor allem hat die taz einen Weg gefunden, mehr Männer zur Erziehungsarbeit zu bringen – die Löhne unserer Frauen liegen im Normalfall deutlich höher als bei uns. Wer in der taz Vater wird, den zwingt schon die Ökonomie in die Elternzeit.

Ich weiß, welche Last auf meinen Schultern liegen wird. Wenn ich nicht aufpasse, brechen furchtbare Kriege aus, in denen schnell Rotz, Schweiß und Tränen fließen. Wenn ich versage, hungern Menschen. Und wenn alles gut läuft, dann braucht mich keiner. Vor allem will ich in meiner dritten und letzten Amtszeit die Wertschätzung für die Arbeit der Frauen in der Gesellschaft steigern. Schwer wird das nicht. Wenn Anna abends nach Hause kommt, fliegen ihr die Herzen zu: „Mama, hast du uns Geschenke mitgebracht?“ Das Kochen, Putzen, Spielen, Vorlesen, Hinternwischen und Tränentrocknen eines ganzen Tages ist damit weggefegt.

Aber bevor ich in Depressionen verfalle, werde ich mich an Harry Truman erinnern. Der sagte beim Plätzchenbacken mit seinen Kindern im Weißen Haus: „If you can’t stand the heat – get out of the kitchen.“ Und er warnte seinen Nachfolger Dwight Eisenhower, der zuvor General gewesen war: „Als Soldat waren Sie gewohnt, dass Sie etwas befehlen, und es wird gemacht. Als Präsident ordnen Sie Dinge an, und niemand tut etwas.“

Dieses Gefühl kenne ich.

Fragen zur Vereidigung? kolumne@taz.de Morgen: Josef Winkler über die ZEITSCHLEIFE