Kompromiss gescheitert

WAHLRECHT Die Initiative Mehr Demokratie lehnt einen Vorschlag von CDU und SPD in der Debatte um das Wahlrecht für die Bürgerschaft ab. Nun rückt ein Volksentscheid näher

Das Wahlrecht ist Gegenstand eines Machtkampfs zwischen der Parteipolitik und der Bürgerbewegung Mehr Demokratie.

■ 2004 gaben sich die Hamburger per Volksentscheid ein Wahlrecht, das ihnen mehr Einfluss auf die Zusammensetzung der Bürgerschaft gab. 2006 entschärfte die CDU dieses Gesetz mit ihrer absoluten Parlamentsmehrheit.

■ Anfang 2009 erzwang Mehr Demokratie mit einem weiteren Bürgerbegehren einen erneuten Volksentscheid. Einigen sich Bürgerschaft und Initiative nicht auf einen Kompromiss, entscheidet am 27. September das Volk. (knö)

VON GERNOT KNÖDLER

Ein Volksentscheid zum Wahlrecht ist am Mittwochabend ein gutes Stück näher gerückt. Die Initiative Mehr Demokratie lehnte einen Vorschlag von CDU und SPD ab, mit dem die großen Parteien der Volksinitiative entgegen kommen wollten. Der Vorschlag enthalte „einige Widerhaken, mit denen wir nicht einverstanden sein können“, sagte Manfred Brandt von Mehr Demokratie.

Ihr per Volksbegehren aufs Tapet gehobener Vorschlag sieht vor, dass 71 Bürgerschaftsabgeordnete über Wahlkreislisten und weitere 50 Abgeordnete über Landeslisten gewählt werden sollen. Auf beiden Listen können die Wähler jeweils fünf Kreuze frei auf Kandidaten verteilen. Während bisher die von den Parteien festgelegte Rangfolge auf den Listen darüber entscheidet, wer ins Parlament gewählt wird, könnten nach dem Vorschlag der Initiative die Wähler bestimmen: Sie könnten die Reihenfolge der Kandidaten auf der Liste durcheinander wirbeln.

CDU und SPD geht das zu weit. Nach einem Kompromissvorschlag der CDU sollen auf den Wahlkreislisten Personen, auf den Landeslisten aber Parteien angekreuzt werden. CDU und SPD sei daran gelegen, dass WählerInnen überhaupt die Möglichkeit hätten, eine Partei anzukreuzen, sagt der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Robert Heinemann. Das entspreche der Wahlpraxis. „60 Prozent der Wähler haben letztes Mal eine Partei angekreuzt“, argumentiert Heinemann.

Bei dem CDU-Vorschlag hätten die Parteien wieder weit mehr Gewicht bei der Auswahl der Abgeordneten, als im Gesetzentwurf des Volksbegehrens vorgesehen sei, kontert die Initiative. „Eine derart gravierende Veränderung können wir nicht verantworten“, sagt Brandt.

Dieses Argument sei rechtlich falsch, widerspricht Heinemann. Zudem „hätte man sich unter diesen Umständen die von der Initiative geforderte aufwändige Erarbeitung eines alternativen Gesetzentwurfs sparen können“, findet er.

Wie Heinemann vermisste der stellvertretende SPD-Landesvorsitzende Frank Richter einen substanziellen Kompromissvorschlag der Initiative. Auch die sich als Moderatorin verstehende GAL bewertet die beiden Vorschläge der Initiative, die Zahl der Kandidaten auf der Landesliste zu verringern und auf Bezirkslisten ganz zu verzichten, nicht als konstruktiv. Sie gingen völlig am Wunsch von SPD und CDU vorbei, das Ankreuzen von Parteien zu ermöglichen.

Die SPD will jetzt „noch einen Versuch machen“, um zu einem Kompromiss zu kommen. Sie schlägt vor, den Wählerinnen nach dem Bremer Modell freizustellen, ob sie auf der Landesliste Personen oder Parteien ankreuzen wollen. Bis Mitte Juni muss eine Entscheidung fallen.