Alzheimer im Aquarium

Münchner Forscher testen Medikamente zur Behandlung von Alzheimer an transgenen Zebrafischen. Ein eingeschleustes Menschengen sorgt dafür, dass die Laborfische an Alzheimer erkranken

BERLIN taz | Weil der Mensch nicht durchsichtig ist, lassen sich die von der Alzheimerschen Krankheit bewirkten physischen Veränderungen, nämlich das großflächige Absterben von Neuronen im Gehirn, erst nach dem Tode eines Patienten zweifelsfrei feststellen. Dies erschwert die Suche nach Wirkstoffen gegen die Krankheit. Noch gibt es kein Heilmittel.

Doch die Nachfrage nach einer Therapie, die Alzheimer an der Wurzel packt, steigt ständig mit dem zunehmendem Anteil älterer Leute an der Bevölkerung der Ersten Welt. In Deutschland sind etwa eine Million Menschen an Alzheimer erkrankt, weltweit – so wird geschätzt – zwischen 12 und 18 Millionen.

Zumindest für Labormäuse haben Wissenschaftler in München bei der Alzheimerforschung einen durchsichtigen Ersatz gefunden: die Embryonen und Larven des Zebrafisches. Die im Erwachsenenalter gelb-blau gestreiften Tiere aus der Familie der Karpfen sind während dieser beiden Entwicklungsstadien gläsern. Veränderungen in ihrem Inneren lassen sich gut verfolgen. Sie vermehren sich in kurzen Intervallen und sind in einigen wichtigen Aspekten den Säugetieren ähnlich. Deshalb dienten sie schon in den 90er-Jahren zur Erforschung menschlicher Krankheiten, zum Beispiel des Herz-Kreislauf-Systems.

In der Alzheimerforschung arbeiteten mit ihnen nun Professor Christian Haass und sein Team vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und dem Exzellenzcluster „Center for Integrated Protein Science (CIPSM). Dabei gelang es den Forschern erstmals, das fortschreitende Neuronensterben life zu beobachten, im Inneren der Larven unter dem Lasermikroskop. Zuvor hatte das Münchner Team in Eizellen der Tiere ein Gen eingeschleust, welches bei Menschen zu einer erblichen Form der Krankheit führt. Es lässt im Organismus ein Protein namens Tau entstehen, das langfristig Nervenzellen killt.

Prompt zeigten sich an den Zebrafischneuronen die gleichen degenerativen Veränderungen. Auch als Erwachsene wurden die transgenen Fische weiter beobachtet und legten zum Beispiel ein verlangsamtes Fluchtverhalten an den Tag.

Zweck dieses Vorgehens war es, Wirkstoffe zu testen, von denen man sich Schutz vor der Krankheit erhofft. So sehr sich Zebrafisch und Mensch auch unterscheiden, sie teilen ein entscheidendes Merkmal, das vielen Lebewesen fehlt: eine Schranke zwischen Blutkreislauf und Gehirn. Diese müssen zur Bekämpfung des Tau-Proteins eingesetzte Stoffe überwinden können. Wenn sie bei lebenden Zellen im Reagenzglas wirken, heißt dies deshalb noch lange nicht, dass sie auch dem Zebrafisch helfen.

Doch einen erfolgreichen Test verzeichnete das Team von Professor Haass bereits. Er berichtete: „Ein Wirkstoff war in lebenden Fischen aktiv und konnte die krankheitsbedingten Prozesse im Zebrafisch zumindest teilweise blockieren.“ BARBARA KERNECK