Keine Museumsbesucher ohne Spektakel

Nur ein paar Zuschauer mehr besuchten im letzten Jahr die Industriemuseen im Ruhrgebiet. Magneten des Tourismus waren sie nicht. Nur Special-Events, wie die Nacht der Industriekultur, können ihre Besucherzahlen noch steigern

Ruhr taz ■ Tief im Westen will die Industriekultur nicht richtig rocken: Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) registrierte nur einen minimalen Zuwachs bei den Besucherzahlen des letzten Jahres, sagt dessen Sprecher Frank Tafertshofer. An den acht Standorten des Westfälischen Industriemuseums im Ruhrgebiet kamen übers Jahr nur rund 1.800 Menschen mehr. Insgesamt zählte der LWL in seinen 17 Museen sogar 64.000 Besucher weniger als im Jahr davor.

Zuwächse gab es nur an Standorten, die bei der letzten Extraschicht, der Nacht der Industriekultur, Drehscheiben für die Besucherströme im Revier waren. „Industriekultur reicht für die Ankurbelung des Tourismus nicht aus“, sagt Dieter Nellen vom Regionalverband Ruhr (RVR) der taz. Er ist seit dem überraschenden Rausschmiss von Jürgen Steiner im Dezember (die taz berichtete) nebenamtlicher Geschäftsführer der RuhrTourismus GmbH (RTG), die auch Veranstalter der teuren Extraschicht ist. Industriekultur sei nur das Marketing-Label, sagt Nellen. Die monetären Wertschöpfungen würden mit modernem Event-Entertainment gemacht. Das Centro in Oberhausen und der Starlight Express in Bochum fallen ihm ein. Nur spektakuläre Sonderausstellungen könnten Besucher in die Westfälischen Industriemuseen treiben. Oder eben Mega-Veranstaltungen wie die Extraschicht, bestens beworben von Regionalverband und Verkehrsverbund. Die fände auch in diesem Jahr wieder statt, sagt Nellen. Mit anderen Drehscheiben an anderen Museumsorten. Und im Innenhafen in Duisburg, wo im letzten Jahr Hunderttausende feierten. „Think big“, sagt Nellen.

In der Henrichshütte in Hattingen ist man nachdenklicher. Museumsleiter Robert Laube will keine „Anbetung der Industriekultur“. 90.000 Besucher hatte sein Haus im letzten Jahr. Davon waren 21.000 Eintrittzahler. „Der Rest sind Besucher von Klavierabenden, Festen und eben der Extraschicht“, rechnet Laube vor. Doch kostenintensive Events würden zwar Besucher locken, aber keine Nachhaltigkeit erzeugen. Auch das Wetter spiele eine wichtige Rolle. So verlor das FreilichtMuseum in Hagen 2004 wegen andauerndem Regen fast 10.000 Zuschauer. „Wie soll man so etwas bewerten?“ fragt Laube. Er will in Zukunft lieber die brennenden Probleme der Menschen thematisieren und sie so an sein Museum binden. „Es könnte zum Beispiel über die Zukunft von Arbeit an historischen Vorbildern nachgedacht werden.“ Laube sieht sich eher als Dienstleister denn als Event-Manager, will aber die Industriekulturnacht behalten. „Schön wäre, wenn auch die kleinen Orte, die Kapellen der Industriekultur zum Zuge kämen und nicht nur die Kathedralen“, sagt er.

Beim RVR stellt man gerade den neuen Kulturkalender zusammen. „30 Prozent mehr Veranstaltungen stehen da drin“, freut sich Nellen, der mit der seinen Touristikern gerade eine neue Strategie fürs Ruhrgebiet entwickelt: Think big!

PETER ORTMANN