Akten nur unsichtbar

Verschwundene Hartz-Akten sind nicht verschwunden. Sie lassen sich nur im Computersystem nicht mehr finden

Die verschwunden Hartz-IV-Anträge haben sich nicht in Luft aufgelöst. Trotzdem sind offenbar zahlreiche Unterlagen weiterhin unauffindbar. Wenn die Sozialämter, die nur bis Ende 2004 für die Bearbeitung dieser Akten zuständig gewesen waren, den Antrag nicht in das Computersystem eingetragen haben, kann sie heute niemand mehr finden.

Allein im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg soll es 1.300 solcher Fälle geben, heißt es aus dem Büro des Grünen-Politikers Christan Ströbele. Bei den Sozialämtern sollen demnach bestimmte Fälle als „noch nicht bearbeitungsreif“ eingestuft worden sein. Die Anträge waren also unvollständig. Außerdem sollen nicht alle Altanträge rechtzeitig zum Jahresende in das Computersystem eingetragen worden sein. Für Christian Hanke, stellvertretender Bürgermeister in Mitte, muss das Problem allerdings an andere Stelle liegen: „Anträge, die nicht vor Jahresende in das System eingespeist wurden, können jetzt in den Jobcentern bearbeitet werden.“

Dennoch scheint es keine verlässlichen Zahlen darüber zu geben, wie viele Anträge im Moment im System verschollen sind, sagte Frank-Michael Süß, Sprecher der Arbeitsagentur Mitte. „Ob der Antrag im System auftaucht, ist vorerst aber egal“, sagte Süß. „Keiner geht hier raus, ohne dass er von uns Geld oder Hilfe erhalten hat.“ Jeder, der bei der Agentur vorspreche, bekomme sofort einen Abschlag ausgezahlt. Wenn der Antrag nicht aufzufinden sei, müsse der allerdings nachgereicht werden.

Christian Ströbele spricht von einem Skandal. Betroffene, die ihre Unterlagen 2004 eingereicht hätten, müssen den komplizierten Antrag ein zweites Mal stellen. Ströbele versucht jetzt, die Ämter zu einer Lösung zu drängen, die einen zweiten Antrag unnötig macht.

Für den sozialpolitische Sprecher der CDU, Gregor Hoffmann, kommt es vor allem aus Personalmangel zu den Bearbeitungsengpässen. „Die Sachbearbeiter sind wirklich überfordert“, sagt Hoffmann. Er wisse von einer vierstelligen Zahl von Anträgen, die in den Bezirken Neukölln, Mitte und Lichtenberg im Moment nicht auffindbar seien. Außerdem gebe es massive Probleme mit den Computeranlagen. „Ich bin mir aber sicher, dass alle Anträge wieder auftauchen“, sagte Hoffmann.

Daran glaubt auch Süß: „Wir bemühen uns, die Arbeitsrückstände aufzuarbeiten“, sagte Süß. Schon Ende der Woche soll dann an den Ämtern wieder wie gewohnt weitergearbeitet werden können. PHILIPP DUDEK