Die Mauer soll zurück in die Köpfe

188 Bundestagsabgeordnete aller Fraktionen setzen sich für neue Mauergedenkstätte ein. Kosten und Aussehen unklar, nur der Ort steht fest: Am Brandenburger Tor muss sie sein. Noch im Januar soll der Bundestag darüber beraten

Wie es aussehen soll – ist unklar. Was es kosten darf – ist noch offen. Wo es stehen muss – ist nach Ansicht von vier Bundestagsabgeordneten von SPD, CDU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen klar: am Brandenburger Tor, und nur da. Die Volksvertreter Stephan Hilsberg (SPD), Werner Kuhn (CDU), Carl-Ludwig Thiele (FDP) und Franziska Eichstädt-Bohlig wollen noch in diesem Monat einen Antrag zum Bau einer Mauergedenkstätte am Brandenburger Tor ins Parlament einbringen. Gestern stellten sie den Antrag vor, den inzwischen 188 Mitglieder des Bundestages mittragen. Der Antrag soll noch im Januar ins Parlament eingebracht werden. Er könnte dann nach Beratungen in den Ausschüssen noch vor der Sommerpause entschieden werden.

„Nach der Wende wurde die Mauer konsequent aus dem Stadtbild verbannt“, so schreiben die Abgeordneten in ihrem Antrag. „Ohne einen Ort des Gedenkens an die Mauer an zentraler Stelle droht aber die Erinnerung an die Teilung Berlins, Deutschlands und der Welt zu schwinden.“ Heute erinnerten nur noch wenige, „schwer zu findende Abschnitte an die Dimension dieses menschenverachtenden Bauwerks“. Und am Brandenburger Tor seien es lediglich noch improvisierte weiße Kreuze, mit denen der Mauertoten gedacht werde – und die seien eigentlich nur zufällig hier, weil ein Ausweichplatz für sie gesucht werden musste, nachdem ihr ursprünglicher Standort nahe der Spree wegen der Regierungsneubauten nicht mehr zur Verfügung stand, so Eichstädt-Bohlig.

Die Abgeordneten sind sich laut Antrag darüber einig, dass der angeregte „Ort des Erinnerns an die Berliner Mauer, des Gedenkens an ihre Opfer und der Freude über die Überwindung der deutschen Teilung“ nicht losgelöst von den bereits existierenden Gedenkorten in Berlin entstehen soll. Deshalb fordern sie, dass Parlament, Bundesregierung und Land Berlin ein Gesamtkonzept des Erinnerns erarbeiten sollen – unter Einbeziehung der schon vorhandenen Gedenkorte wie beispielsweise des „Checkpoint Charlie“ und der Mauergedenkstätte an der Bernauer Straße. Letztere solle dabei aufgewertet werden. Außerdem solle am Brandenburger Tor ein „Ort der Information“ entstehen – das Holocaust-Mahnmal ein paar Dutzend Meter entfernt lässt grüßen.

Die Abgeordneten betonen, dass sie lediglich einen Vorschlag zum Vorgehen gemacht hätten und nicht zur Gestalt des neuen Denkmals. Denn täte man dies, so Hilsberg, könnte die Diskussion über die neue Gedenkstätte sehr schnell beendet sein. Allerdings ließ der eine und die andere durchblicken, welchen Aspekt er sich wie im Projekt verwirklicht vorstellen könnte: Thiele hat es die Denkmals-Meile in Washington angetan mit Informationen in Flugblättern etwa zum Vietnamkrieg. Eichstädt-Bohlig zeigte sich aufgeschlossen für Gedenktafeln im Zugang zur „Kanzler-U-Bahn“, die derzeit entsteht.

Auch ein Ausbau des „Raums der Stille“ im nördlichen Torbogen des Brandenburger Tores wäre zu erwägen, so die Abgeordneten. Deutlich wurde zudem, dass sie eine Tafel mit den Namen der Toten der Mauer als Teil des Denkmals befürworten. Auf jeden Fall, so betonte die Berliner Abgeordnete Eichstädt-Bohlig, müsse der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sich in die Diskussion einbringen – eine Beteiligung des Landes beim Denkmal sei nötig. Die Signale des Landes aber zeigen, dass daran nur wenig Interesse besteht. PHILIPP GESSLER