Nur noch einmal auf Tour

Der 33-jährige Radprofi Lance Armstrong möchte mit dem neuen Teamsponsor Discovery Channel endlich mal einen Frühjahrsklassiker gewinnen und irgendwann auch noch mal die Tour de France

„EIch möchte einmal eines der Monumente des Radsports gewinnen“

AUS SILVER SPRINGSEBASTIAN MOLL

Bevor das Medien-Großunternehmen Discovery Channel vor fünf Jahren hierher kam, war der Washingtoner Vorort Silver Spring ein Slum. Jetzt ist sogar das schöne alte Jugendstilkino gegenüber der Konzernzentrale renoviert worden. Das Leuchtband über dem Eingang kündigte am Montag allerdings nicht etwa einen Naturdokumentarfilm aus dem Hause des Bildungssenders an, sondern die „weltweite Enthüllung des Discovery Channel Radteams“. Discovery Channel macht keinen Hehl daraus, dass es einen Weltmarkt anpeilt, und dabei soll der Weltstar Lance Armstrong mit seiner multinationalen Radlertruppe im Jahr 2005 kräftig helfen.

Deshalb betont Dan Osipow, Manager des Teams, bei seiner Vorstellung der Fahrer auch, dass Discovery Channel mit Fahrern aus 15 Nationen nun die internationalste Mannschaft im Radsportgeschäft ist. In Katar und Malaysia werde man in diesem Jahr sogar Rennen fahren, verkündet Osipow stolz. Doch wirklich globale Medienaufmerksamkeit, das weiß Osipow so gut wie der Discovery Channel, erweckt nur einer – Lance Armstrong. Und das vor allem, wenn er wie in den vergangenen Jahren das bekannteste Rennen der Welt fährt: die Tour de France.

Deshalb hat der Discovery Channel auch sichergestellt, dass Lance Armstrong mindestens einmal die Tour de France mit dem Logo des Senders auf dem Trikot bestreitet. Und Lance Armstrong sagt von sich: „Ich bin kein Typ, der Verträge nicht einhält.“ Ob er allerdings schon in diesem Jahr einen siebten Tour-de-France-Sieg anstrebt, möchte sich Armstrong noch offen halten.

Priorität hat für Armstrong zunächst ein anderes Ziel. „Es ist ein romantischer Traum, aber ich möchte einmal eines der Monumente des Radsports gewinnen.“ Damit meint Armstrong die klassischen Eintagesrennen des Frühjahrs, und außer diesen Rennen ist Armstrongs Rennkalender für 2005 bislang noch leer. Die Flandern-Rundfahrt, das Amstel Gold Race und Lüttich–Bastogne–Lüttich – diese Rennen motivieren den Texaner derzeit, nicht die Frankreich-Runde: „Ich bin bei den Frühjahrsrennen schon zu oft Zweiter geworden.“

Erst danach will Armstrong sich überlegen, wie das Jahr weitergeht: „April ist ein guter Zeitpunkt, um sich die Dinge anzuschauen und neu zu bewerten.“ Allerdings lässt Armstrong durchblicken, dass auch nach den Klassikern in diesem Jahr andere Dinge für ihn spannender sein könnten als die Tour. „Ich denke sehr ernsthaft über den Stundenweltrekord nach.“

So ernsthaft beschäftigt sich Armstrong mit dieser Option, dass er sich von seinem Radsponsor bereits einen Prototyp für den Rekordversuch hat bauen lassen, der zu Hause in seinem Wohnzimmer steht. Außerdem hat Armstrong konkrete Pläne, sich für dieses Vorhaben eigens ein Stadion zu bauen. „Wir wollen den Rekord in der Höhe brechen, und in der Höhe gibt es nur wenige Stadien, die überdacht sind. Wir überlegen noch, ob wir lieber die Bahn in Colorado Springs überdachen oder eine neue Bahn in Salt Lake City bauen.“

Für seinen vertraglich vereinbarten vermutlich letzten Start bei der Tour de France hat Armstrong auch schon ein Szenario entworfen: „Es gab viel Gerede darüber, dass ich ein Jahr wegbleibe und im darauf folgenden Jahr den neuen Sieger herausfordere. Das klingt für mich nach einer guten Idee.“ Öffentlich festlegen will sich Armstrong allerdings noch nicht.

Spielraum für Experimente hat der Champion nicht zuletzt durch die weitreichenden Reformen im Profi-Radsport gewonnen. Das Discovery Team ist Teil der neuen PRO-Tour – einem System ähnlich den amerikanischen Profi-Ligen, in dem 19 Spitzenmannschaften zu Starts bei allen wichtigen Rennen verpflichtet werden. Discovery Channel kann sich deshalb nicht mehr wie die Vorgängermannschaft US Postal ausschließlich auf die Tour de France konzentrieren.

Deshalb hat die Team-Leitung unter anderem mit Paolo Salvodelli einen Favoriten für den Giro d’Italia verpflichtet und seine Truppe für die Früjahrsklassiker erneut verstärkt. „Paolo ist sehr motiviert und will zumindest einen Podiumsplatz erreichen“, sagte der belgische Teamchef Johan Bruyneel. Armstrong wird den Giro mit Sicherheit nicht fahren.

Bruyneel glaubt, dass es nach sieben Jahren der Fixierung auf Armstrongs Tour-Siege allen beim Discovery-Channel-Team gut tun wird, eine Saison einmal ganz anders anzugehen: „Wir müssen ganz neu über den Radsport nachdenken.“ Für Armstrong bedeutet dieses Umdenken nicht zuletzt auch ein konkretes Nachdenken über den Radsport hinaus. Teil des Vertrages mit dem Discovery Channel ist es, dass Armstrong Sendungen moderiert: „Darauf freue ich mich sehr“, sagt er und lässt durchblicken, dass er den Start seiner neuen Karriere kaum abwarten kann. Auf dem Entdeckungskanal, so scheint es, hat Armstrong eine bunte neue Welt abseits der Landstraße gefunden.