Beleidigte Mifrifi

Der WDR präsentiert seine unter Sparzwang stehende Finanzplanung und greift die NRW-Medienpolitik an

Der Westdeutsche Rundfunk würde gerne nach Bayern auswandern. „Ich würde mich gegenwärtig bei Edmund Stoiber besser aufgehoben fühlen“, sagte WDR-Intendant Fritz Pleitgen gestern in Köln. Denn der bayerische Ministerpräsident würde sich wohl besser um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im CSU-Land kümmern als sein SPD-Amtskollege in Düsseldorf.

Bei der Vorstellung der mittelfristigen Finanzplanung für die kommenden vier Jahre (WDR-Jargon: Mifrifi) war den sauren Mienen der Senderchefs anzusehen, dass die größte ARD-Anstalt beleidigt ist. Sie sieht ihre Anstrengungen für den Medienstandort Nordrhein-Westfalen nicht genug gewürdigt. Mit keinem Wort habe NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) das kürzlich novellierte WDR-Gesetz oder auch die Bedeutung des Senders für das kulturelle Leben im Land erwähnt, klagte WDR-Rundfunkratschef Reinhard Grätz. Der in Medienfragen kühle NRW-Ministerpräsident hatte dagegen den WDR wie ARD und ZDF insgesamt wegen eines drohenden EU-Wettbewerbsverfahrens aufgefordert, den Programmauftrag, die Online-Angebote und Aktivitäten der Tochtergesellschaften noch einmal kritisch zu überprüfen. Nur so, soufflierte Steinbrück, könne ein vom Privatsenderverband VPRT unterstütztes Verfahren aus Brüssel abgewendet werden.

Nun eskaliert der Streit zwischen Staatskanzlei und WDR-Chefetage weiter: „Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen“, so Pleitgen: Mit dem Verkauf des Musikkanals und NRW-Vorzeigeprojekts Viva an den US-Medienmulti und MTV-Besitzer Viacom, die Abwerbung der Musikmesse Popkomm nach Berlin und der Auflösung der landeseigenen NRW Medien GmbH sowie des Europäischen Medieninstituts zeige sich eine „erstaunliche Minusbilanz“ in der unter Steinbrücks Vorgänger Wolfgang Clement so zentralen NRW-Medienstandortpolitik.

Auslöser des seit Monaten schwelenden Zerwürfnisses zwischen Landesregierung und Sender war vor allem die Absenkung und Verschiebung der Gebührenerhöhung. Bis 2008 fehlen dem WDR so rund 107,6 Millionen Euro. Das Geschäftsjahr 2004 schließt mit einem Minus von rund 45 Millionen Euro ab, in diesem Jahr will der Sender durch Einsparungen in Höhe von rund 50 Millionen Euro beim Programm und anderen Posten aber wieder einen Überschuss erwirtschaften.

Ob Pleitgen mit dem frommen Bayern-Wunsch dagegen so gut liegt, bleibt abzuwarten. Denn das zentrale Sparpapier in Sachen ARD und ZDF vom Herbst 2003 trägt neben der Unterschrift von Peer Steinbrück auch die eines gewissen Edmund Stoiber. SEBASTIAN SEDLMAYR