Ami-Schlitten müssen schrumpfen

KLIMASCHUTZ US-Präsident Obama will bis 2016 umweltfreundlichere Autos. Beim Gesetz zur CO2-Reduzierung muss er – dank Lobbyarbeit der Industrie – einige Kompromisse in Kauf nehmen

WASHINGTON taz | Das waren noch Zeiten, als Dean Martin und Playboy-Model Stella Stevens in dem Hollywood-Film „Leise flüstern die Pistolen“ in einem riesigen Mercury Station Wagon herumfuhren. Der „Sex Wagon“, wie er in dem Film hieß, verfügte über zwei Schlafzimmer, eine Bar, einen Fernseher, und er schluckte Unmengen Benzin. Demnächst dürfen solche Autos nicht mehr in den USA herumfahren. Präsident Barack Obama hat am Dienstag eine Verordnung verabschiedet, wonach Autos und Lastwagen ab 2016 mit einer Gallone Benzin (3,8 Liter) 35,5 Meilen weit kommen müssen – 10 mehr als bisher. Umgerechnet entspricht das einem Verbrauch von 6,6 Litern auf 100 Kilometer, eine Senkung um rund 30 Prozent. Für Neuwagen gilt die Verordnung ab 2012.

Zudem dürfen Autos nur noch etwa 150 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer ausstoßen – etwa 60 Gramm weniger als heute, was aber durch die Senkung des Verbrauchs fast automatisch erreicht wird. Das habe den gleichen Effekt, als ob man 177 Millionen Autos aus dem Verkehr ziehen würde, sagte Obamas Pressesprecher Robert Gibbs. Neben den Umweltverbesserungen werde auch „unsere gefährliche Abhängigkeit von ausländischem Öl“ verringert.

Umweltschützer sprachen von einer „bahnbrechenden“ Verordnung. Wobei die neuen Werte nicht sonderlich schwer zu erreichen sind – sie liegen nur knapp unter den schon in der Europäischen Union vorgeschriebenen Zahlen. So war auch die Autoindustrie zufrieden, die eine einheitliche Regelung für das gesamte Land begrüßt und genug Zeit hat, sie umzusetzen.

Beim Gesetz, das die Strom- und Schwerindustrie zur Reduzierung von Treibhausgasen verdonnern sollte, musste Obama dagegen einen Kompromiss eingehen. In seiner ursprünglichen Fassung wäre das Gesetz an den Demokraten aus dem Westen und Mittleren Westen gescheitert, deren Heimatstaaten von Kohle und Schwerindustrie abhängen. Statt um 20 Prozent sollen die Treibhausgase bis 2020 nun nur noch um 17 Prozent gegenüber 2005 reduziert werden. Zudem müssen sämtliche Bundesstaaten ihren Energiebedarf nicht bis 2025 zu 25 Prozent aus erneuerbaren Quellen decken, sondern bis 2020 zu 15 Prozent. Dafür soll aber der Energieverbrauch bis dahin durch neue Technologien um 5 Prozent gesenkt werden. Beim Emissionshandel werden nicht alle Zertifikate, wie von Umweltschützern gefordert, versteigert, sondern zum Teil kostenlos abgegeben – 35 Prozent davon an lokale Stromversorger.

Die Verwässerung des Gesetzes ist auf Druck der Stromunternehmen, der Gas- und Ölkonzerne zustande gekommen. Die haben im ersten Quartal dieses Jahres fast 80 Millionen Dollar für Lobbyarbeit ausgegeben. Davon kamen 9,3 Millionen alleine von Exxon. Es ist daher kaum überraschend, dass viele moderate Demokraten plötzlich die Argumente der Industrie anführten. Und das waren die üblichen: Preiserhöhungen und negative Folgen für die Wirtschaft.

Senator John Barrasso von den Republikanern legte sogar ein Papier vor, wonach die Gefahr durch Treibhausgase jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehre und rein politisches Kalkül sei. Autor dieses Papiers, so stellte sich heraus, ist Joseph Johnson, der für Koch Industries arbeitet, das größte Privatunternehmen der USA, das in jedem Bereich der Umweltverschmutzung landesweit führend ist und Dutzende rechter Organisationen finanziert. Das nennt man erfolgreiche Lobbyarbeit. RALF SOTSCHECK