: Solidarische Neinsager
INTERNATIONALISMUS Bis Sonntag berät der Buko-Kongress in Lüneburg die Krise. Zeitgleich demonstrieren Nazis in der Innenstadt gegen „Behördenwillkür“
Jürgen Weber, Aktivist
VON CHRISTIAN JAKOB
„Profitieren“, sagt Jürgen Weber, wollen sie nicht von der Krise. Aber eine „Struktur bereitstellen, um die Interessensharmonie anders zu diskutieren“, das möchte man schon. Seit 32 Jahren lädt die „Bundeskoordination Internationalismus“ (Buko) im Frühsommer zu ihrem großen Kongress ein, es ist eine Art Jahreshauptversammlung der sozialen Bewegungen – und leidet ein wenig an schwindender Aufmerksamkeit.
Nun ist die große Krise da und „Under Construction. Transformationen in Zeiten der Krise“ das Motto das Treffens, zu dem seit Donnerstag 350 BesucherInnen in die Lüneburger Uni gekommen sind. Seit Jahrzehnten attackiert der Zusammenschluss die Ungerechtigkeiten der Weltwirtschaft – was sagt die Buko nun, da alle davon reden?
„In der Krise werden die Interessen alle gleich gemacht,“ sagt Buko-Aktivist Weber. „Da sollen dann plötzlich alle was zusammen machen, für die ‚gemeinsame Zukunft‘ und man bittet auch die Ausgeschlossenen in den Dialog hinein.“ Sich diesen Verschleierungstaktiken zu unterwerfen, laste die Buko seit jeher den klassischen NGOs an. Der Kongress hingegen wolle den Dissens betonen: „Wir sagen: So läuft das nicht.“ Das System habe die Krise hervorgebracht und müsse verändert werden. Es könne kein Ausweg sein, die Krise „aus einer Herrschaftsperspektive“ lösen zu wollen. Doch das „Nein“ des Buko sei ein „solidarisches Nein“, sagt Weber. Auf dem Kongress werde nach Wegen gesucht, die „Subalterne“, die Ausgeschlossenen dieser Welt also, zusammenzuführen.
Von chinesischen Wanderarbeitern ist in den Workshops die Rede, von Beschäftigten des Maschinenbauers Schaeffler, dessen Management das Unternehmen mit Spekulationen ruiniert hat – wie schließt sich diese Klammer? „Der Zusammenhang ist, dass es kein Außen mehr gibt“, sagt Weber. Alle Ausbeutungsverhältnisse seien auf dieselben, vernetzten ökonomischen Mechanismen zurück zu führen und müssten deswegen gemeinsam bekämpft werden – wenn dies auch schwierig sei: „Wir haben auch keine fertigen Antworten“, sagt Weber. „Aber das haben wir mit den Herrschenden gemeinsam.“
Zeitgleich zu dem linken Kongress haben Neonazis in Lüneburg einen Aufmarsch angemeldet, um gegen „Behördenwillkür“ zu protestieren. Im April wurde die letzte Nazidemo in der Stadt blockiert. Als die Nazis eine Alternativroute ausschlugen und Polizisten attackierten, löste diese die Nazidemo auf. „Wir hoffen, dass wir 1.000 Leute auf die Straße bringen“, sagt ein Sprecher des Bündnisses „Nazis aufhalten“. Doch die Stadt hat nur eine Route genehmigt, die von den Nazis wegführt. Das Bündnis hat deshalb heute lediglich zu einer Kundgebung an der Stintbrücke aufgerufen, der Buko unterbricht dafür sein Programm.