gottschalk sagt
: Papstfans ist nicht zu helfen

CHRISTIAN GOTTSCHALK: Die Kolumne am Donnerstag

Neulich, beim Sonntagsspaziergang, kamen wir an einem dieser Plakate vorbei, mit denen Unterkünfte für Teilnehmer des Weltjugendtages gesucht werden: „Herberge gesucht“. „Na, sollen wir uns auch so einen jungen Christen holen?“, fragte meine Freundin, „wir haben doch Platz genug.“ Da eigentlich ich bei uns für die Scherze zuständig bin, nahm ich die Frage ernst und wehrte ab: „Diese Stadt ist voller Katholiken! Sollen die sich darum kümmern!“

In Wirklichkeit ging es um etwas anderes. Ich will einfach keine wildfremden Leute in unserer Wohnung. Ich finde, ich habe in dieser Hinsicht meinen Anteil abgeleistet. Da sich Christen und Linke in mancher Hinsicht ähneln, brachten wir früher in unserer WG ab und zu Leute unter, die „für ein paar Tage in der Klemme“ waren. Wir brachen mit ihnen das Brot, und sie, die da mühselig und beladen waren, erzählten uns von ihrem Leid und müffelten in unserer Küche vor sich hin. Zum Beispiel Gary.

Gary war sehr hilfsbereit und wirklich bemüht, sich nützlich zu machen. Hätte er statt kaltem heißes Wasser zum Geschirrspülen genommen, hätte das vielleicht sogar geklappt. Er wollte nur bleiben, bis er „ein, zwei Sachen geregelt hat“. Aber in Sachenregeln war er nicht so gut. Sonst wäre er ja nicht bei uns gelandet. Dass wir ihm schließlich dabei halfen, geschah nicht aus reiner Nächstenliebe.

Karl war ein Kumpel. Wir unterhielten uns gern mit ihm. Aber er hätte seine Pillen gegen Schizophrenie nicht absetzen sollen – der Indianerhäuptling, der er wurde, war ein ziemliches Arschloch. Wir brachten den Häuptling nach Merheim und holten später Karl wieder ab. Er fuhr dann in seine Heimatstadt.

Oder Wilhelm, kein schlechter Mensch. Hätte ihn seine Frau nicht verlassen, hätte er bestimmt viel weniger getrunken. Wenn wir beim Bier saßen und er mich mit wässrigen Augen ansah, war auch ich überzeugt, dass allein sie die Schuld an seiner Misere trug. Er blieb zwei Wochen. Beide Male. Seine gebratene Flugente war ein Gedicht.

So lernten wir über das Leben und halfen im Idealfall dabei Leuten aus der Patsche. Danach polierten wir unsere Heiligenscheine. Für einen begrenzten Zeitraum pilgernde Papstfans aufzunehmen, ist natürlich was ganz anderes: Wir können ihnen nicht mehr helfen.