Kapital, Thron und Altar

Seit gestern heißt die Hamburger Musikhalle „Laeiszhalle“ – nach ihrem Stifter, dem Reeder Carl Heinrich Laeisz. Dessen Firmenerben standen beim Taufakt in der ersten Reihe, und ein Hauptpastor spendete dazu den Segen

Lange hieß die Musikhalle Hamburg einfach Musikhalle. Große Dirigenten sind dort aufgetreten, große Sängerinnen und Pianisten, sogar das Wunderkind Jehudi Menuhin war 1930 mit seiner Geige da, gerade 12-jährig. Sie haben sich vermutlich nicht daran gestört, dass der Ort, an dem sie auftraten, Musikhalle hieß. Es war nicht ihre Schuld. Sie wussten es nicht besser.

Spätestens seit gestern hat sich die Situation geändert. Auf dem marmornen Treppenabsatz in der neobarocken Vorhalle, direkt unter den Bildern der Stifter Carl Heinrich und Sophie Laeisz, wurde die Musikhalle in Laeizshalle getauft. Etwa 100 Jahre zu spät zwar (die Halle wurde 1908 eingeweiht), aber immer noch besser als nie.

Es war ein schönes Bild. Einträchtig hielten die Hamburger Kultursenatorin Karin von Welck, der Hauptpastor der Michaliskirche, Helge Adolphsen, und der Juniorchef der Reederei Laeisz, Nikolaus H. Schües, einen absurd großen Taufschein vor die Kameras, auf dem stand, dass die Musikhalle nun Laeiszhalle heißt. „Eine schöne Heimholung einer Tradition“ nannte das der Hauptpastor, der daran erinnerte, dass „die Hamburger Kaufleute sich schon immer auf ganz besondere Weise eingemischt“ hätten.

So auch wieder in diesem Fall. Beim Taufakt stand die Reedersfamilie in der ersten Reihe, die Männer im schlichten Anzug vorne, die Frauen mit Perlenketten dahinter, und ganz vorne der junge Erbe des 50 Schiffe und 1.150 Mitarbeiter umfassenden Imperiums mit blondem, adrett gekämmten Scheitel.

Man hatte sich sehr angestrengt, das Ganze wie eine wirkliche Taufe aussehen zu lassen. Ein bisschen schien Juniorchef Nikolaus H. Schües allerdings die maritimen Bräuche zu vermissen. „Die Sektflasche, die obligatorische, haben Sie nicht haben wollen“, wandte er sich bedauernd an die Kultursenatorin und deutete traurig auf die Marmorwand unterhalb der Stifterporträts, wo so eine Flasche hätte zerschellen können.

Offen blieb freilich, warum die „Würdigung des großen mäzenatischen Engagements der Familie“ (Kultursenatorin von Welck) ausgerechnet jetzt erfolgte. In „hanseatischer Zurückhaltung“ (Hamburger Abendblatt) hatte die Reederfamilie Schües nie von Geld geredet.

Mag sein, dass die Kultursenatorin mehr weiß. Oder übt sie am Ende sublimen Druck aus? Während andere deutsche Konzerthäuser „Philharmonie“ oder „Tonhalle“ heißen, nimmt sich Hamburg New York und seine Carnegie-Hall zum Vorbild. Von Andrew Carnegie, dem Stahlfabrikanten, heißt es, er habe in seinem Leben 350 Millionen Dollar gespendet. Daniel Wiese