Klasse saniert durch Hartz IV

Senat will Ein-Euro-Jobber zur Instandsetzung von Schulen einspannen. Bildungsbehörde sieht „sehr großen Renovierungsbedarf“. Örtliches Handwerk will Langzeitarbeitslose anleiten. Gewerkschaften geißeln „Angriff auf die Tarife“

Von Eva Weikert

Den Sanierungsnotstand in Hamburgs Schulen will der CDU-Senat jetzt mit Hilfe von Hartz IV beheben. Langzeitarbeitslose und Sozialhilfeempfänger, die als arbeitsfähig gelten, sollen im Dienste örtlicher Handwerksbetriebe für einen Euro die Stunde die Lehrstätten mitrenovieren. Das hätten die Spitzen von Wirtschafts- und Schulbehörde mit der Handwerkskammer vereinbart, so Kammersprecher Peter Haas: „Die Umsetzung ist auf dem Weg.“ Während die grüne Opposition dem Vorhaben „eine Chance“ geben will und die SPD mahnt, „neue Wege nicht zu scheuen“, läuft der Gewerkschaftsbund (DGB) Sturm gegen den Einsatz der Billigkräfte in privaten Betrieben.

Die Stadt betreibt 420 Schulen mit mehr als 1.000 Gebäuden. „Wir sind der größte Gebäudenutzer in Hamburg“, so Schulbehördensprecher Alexander Luckow. Rund 100 Millionen Euro seien jährlich im Haushalt für die Grunderneuerung der Schulen abgestellt. Weil viele aus den 50er bis 70er Jahren stammten, „sind sie nicht mehr in so großartigem Zustand“, erklärt der Sprecher. Der Renovierungsbedarf sei „sehr groß“. Denkmalschutzauflagen erhöhten die Sanierungskosten. Mit dem Einsatz von Billigjobbern macht die Stadt ein gutes Geschäft, denn die Zwangsmaßnahme für Arbeitslosengeld-II-Empfänger bezahlt größtenteils der Bund.

Maximal 100 Ein-Euro-Jobber sollen jetzt unter den Fittichen von Handwerksbetrieben in den Schulen werkeln. Wie Handwerkskammer und Bildungsbehörde versichern, sollen sie nur „zusätzliche“ Arbeiten verrichten, die ansonsten nicht erledigt würden. Zugleich werde der Behördenetat für die Schulsanierung weder gekürzt noch für den städtischen Anteil an den Billigkräften aufgewendet. „Sinn ist es nicht, der Wirtschaft Aufträge wegzunehmen“, so Behördensprecher Luckow. „Auch wollen wir keinen Pfusch am Bau.“

Senat und Kammer versprechen, dass die Arbeitslosen von der Anleitung durch Handwerk-Profis profitieren. Erledigen sollen sie „leichte Renovierungsarbeiten“, so Wirtschaftsbehördensprecher Christian Saadhoff, „die ansonsten nicht bezahlt werden könnten“. Als Beispiel nannte er Toilettensanierung. Ideengeber für das Vorhaben war die Handwerkskammer. Das Handwerk nehme sich selbst der Billigjobber an, um „einen Schattenmarkt und Wettbewerbsverzerrung“ durch Dumpinglöhne zu verhindern, so Sprecher Haas. Die Betriebe würden die Jobber aber nicht anstellen, „damit keine regulären Arbeitsplätze verdrängt werden“. Vielmehr sollten die Beschäftigungsträger formal Arbeitgeber sein. Wegen des Anspruchs des Gesetzes auf Gemeinnützigkeit beschränke sich der Jobber-Einsatz auf Schulen.

Die Opposition unterstützt den Plan. „Der direkte Zugang zu privaten Firmen bedeutet, dass sich die Arbeitslosen auch hier empfehlen können“, lobt GALierin Gudrun Köncke die „dichte Anbindung an den 1. Arbeitsmarkt“. Zu renovieren sei „nicht so stumpfsinnig und mehr als Beschäftigungstherapie“. Zugleich mahnte sie aber ein Gremium an, das die Zusätzlichkeit der Jobs ständig überprüft. „Instanzen“, die Verdrängungseffekte aufdecken, will auch die SPD und schlägt etwa Kontrollen vor Ort und eine Ombudsstelle für Beschwerden vor. „Aus Angst vor Verdrängungseffekten dürfen wir nicht in der unerträglichen Situation verharren, in der wir heute sind“, verweist der SPD-Abgeordnete Hans-Christoff Dees auf über 40.000 Langzeitarbeitslose allein in Hamburg.

Der DGB indes sieht den neuen Weg „extrem skeptisch“, so Sprecherin Claudia Falk. „Das ist ein Angriff auf die Tarife.“ Eine flächendeckende Kontrolle über die Zusätzlichkeit der Billigjobs sei unmöglich. „Die Gefahr“, so Falk, „dass Arbeitsplätze durch Dumpinglöhne ausgelöscht werden, überwiegt jeden Nutzen.“