herr tietz macht einen weiten einwurf
: Skispringen mit Hartz IV

FRITZ TIETZ über fliegende Samenspender und was in schlechten Zeiten wie diesen aus ihnen geworden ist

Das „Produkt Skisprung“, wie ihre Funktionäre die Sportart Skisprung gerne nennen, wird vielfach von Frauen konsumiert, deren Wunsch nach einer Mutterschaft so heftig ist, dass sie ihr Verlangen danach auf Transparenten kundtun müssen. So jedenfalls der Eindruck, den man(n) – selbst als nur gelegentlicher Fernsehkonsument dieses Produkts – in den letzten Jahren gewinnen musste. Immer wieder sah man beim Reinzappen ins Skisprung-TV solche eindeutig formulierten Gesuche überm Schanzenpublikum prangen. Allerdings nicht irgendein Hinz oder gar Kunz sollten da Frucht an die gebärwilligen Zuschauerinnen legen, es durften nur die deutschen Adler sein. Namentlich die Skispringer Martin Schmitt und Sven Hannawald waren als Samenspender gefragt. Immer wieder wurde auf den Plakaten um deren Vaterschaft geworben, denn entweder „Martin …“ oder aber „Hanni, ich will ein Kind von dir!“ stand dort deutlich lesbar drauf gepinselt.

Als jemand, der den Unterhaltungswert des TV-Produkts Skisprung ungefähr so groß erachtet wie den eines Skistöckchen apportierenden Hundes und also beim Fernsehanblick einer Sprungschanze ähnlich schnell weiterzappt wie sonst nur bei Golfturnieren, bin ich im Skisprung allgemein und somit auch in Sachen des hierbei öffentlich zur Schau gestellten Schwangerschaftswunsches nicht unbedingt auf dem Laufenden. Nur so viel reimte ich mir aus der Zeitung zusammen: Es steht momentan eher mau um Deutschlands Skisprungsportler, und an einer Reproduktion zumindest durch Hannawald dürfte den potenziellen Muttis inzwischen auch nicht mehr so gelegen sein. Der noch vor kurzem als Superflieger gehandelte Sven laboriert derzeit an so leistungsabträglichen seelischen Verstimmungen, dass dies – man kennt ja die Frauen – auch seinen Spermawert ziemlich gemindert haben dürfte. Das Produkt Martin Schmitt ist momentan ebenfalls nicht so in Schuss. Längst kursieren derweil frische Namen in der Skispringerszene. Allen voran ein Herr Herr, Vorname Alexander. Knackige 26 Jahre jung, gilt derzeit dieser Alex als größte deutsche Skisprung-Hoffnung und trotz eines albernen Kinnbärtchens wohl auch bei den weiblichen Fans als Top-Favorit.

Letztes Wochenende allerdings ist Alex Herr schwer gestürzt; und zwar „zur besten Sendezeit“, wie ich am Montag der Süddeutschen Zeitung entnahm. Was mir wiederum den Befehl erteilte, am selben Abend Deutschlands beste Sportsendung, die „Blickpunkt Sport“ vom Bayrischen Fernsehen zweifellos ist, zu gucken. Und meine Sensationslust wurde nicht enttäuscht. Mehrfach und in Zeitlupe wurde dort Herrs kreuzbandzerreißender Sturz zelebriert. Gleichwohl, so spektakulär wie die Aufregung in der Sportpresse vermuten ließ, kam die Bruchlandung im Fernsehen gar nicht rüber. Da habe ich ganz andere Abstürze gesehen. Noch jetzt phantomschmerzt mir das Kreuz in Erinnerung an jenen Springer, der bei einem Flug derart ins Straucheln geriet, dass er trotz heftigen Gegenruderns vornüber kippte und aus gefühlt 30 Metern Höhe voll auf den Steiß knallte.

Ganz unverhofft ließ mich aber der „Blickpunkt“-Beitrag über Herrn Herr auf einen neuen Trend bei den Zuschauerinnen-Transparenten stoßen. Am Beitragsende war nämlich wieder kurz eines dieser Plakate zu sehen, darauf dieses Mal aber kein Vaterschafts-Ansinnen, sondern das hier geschrieben stand: „Alex, lass mich deine Krankenschwester sein!“ Demnach nutzen Frauen die Skisprungveranstaltungen nicht mehr nur als Kontakt-, sondern auch als Jobbörse. Vermutlich eine Folge von Hartz IV, die da eine offenkundig arbeitslose Krankenschwester zu dieser Bewerbung greifen ließ. Ein Verfahren, das möglicherweise Nachahmer auch in anderen zuschauerträchtigen Sportarten findet. In der Fußball-Bundesliga beispielsweise, wo ja auch dringend eine Stelle fachkundig zu besetzen ist. Mich jedenfalls würde nicht wundern, wenn nach den jüngsten Ausrastern Oliver Kahns, dargebracht im Trainingslager in Dubai, demnächst Bewerbungs-Transparente diesen Inhalts in den Fußballstadien auftauchen: „Olli, lass mich deine Irrenärztin sein!“