Grün war die Jugend

Das Gute – keiner kann mir vorwerfen, ich hätte mich nie für Ideale aufgeopfert. Und wie ich das habe! Eine meiner frühsten Erinnerungen handelt davon. Mama und Papa schleiften uns zum Ostermarsch, die Demo als Feiertagsprogramm – verregnet, kalt, langweilig, Zweck schleierhaft. Meine erste Lektion als Kind zweier Grüner der ersten Stunde: Mit der Sonnenblume der Wahlplakate hat alternatives Engagement nur bedingt etwas gemein.

Schwer zu sagen, ob 25 Jahre grüner Familienvita eher Privileg sind oder Fluch. Die Grünen konnten für mich nie nur die Juttas, Renates und Joschkas aus dem Fernsehen sein, denn da saßen ja noch die zwei alternden Herrschaften daheim. Umweltschutz? Klasse! Bloß nicht, wenn der Vater dauernd die Heizung runterdreht und man als Teenie Wolljacketragen gut finden soll, weil es Energie spart. Sich als Jungwähler bei den Grünen engagieren, weil die eine lockere Nachwuchstruppe sind? Schwierig, wenn man als Kind miterlebt hat, wie die Eltern aus dem Ortsverband „Grüne Aktion Zukunft“ flohen – weil es dort vor allem um Macht und Linientreue ging. Ja, wenn selbst Oma seit den 80ern grüne Stammwählerin war.

Was bleibt nach 25 Jahren? Die Generationen verbindende Verachtung für AKWs, Käfigeier und den ADAC. Das schlechte Gewissen, wenn die Heizung mal wieder auf Fünf steht. Aber vor allem das Gefühl, mit den Grünen längst durch zu sein. Zwangsläufig. ASTRID GEISLER

Astrid Geisler, 30, hat Muttis selbst gestrickte Pullis alle eingemottet