„Appelle reichen nicht mehr aus“

Die Autofahrer müssen ganz bewusst so genervt werden, dass sie die Innenstädte meiden, sagt Ralf Stock vom ADAC

taz: Herr Stock, der Bundesrat schätzt, dass 2005 in 120 deutschen Kommunen die Grenzwerte für Feinstaub überschritten werden. Was können diese dagegen tun?

Ralf Stock: Prinzipiell gibt es drei Instrumentarien: Telematik, Technologie, Fahrverbote.

Was ist Verkehrstelematik?

Man nutzt die Informationstechnologie, um Verkehr zu organisieren. In Erfurt, Köln oder Berlin gibt es beispielsweise Warntafeln in den Außenbezirken: Innenstadt gesperrt, bitte benutzen Sie „Park and Ride“. Frankfurt hat so genannte Pförtnerampeln installiert, die in den Außenbezirken Stau organisieren.

Wie geht das?

Man schaltet keine grünen Welle, sondern nervt die Autofahrer ganz bewusst.

Genervte Autofahrer steigen aber nicht automatisch auf Bus oder S-Bahn um.

Der Tourist oder der Geschäftsreisende sicherlich nicht. Der Pendler wird aber bald den Kanal voll haben und umsteigen.

Organisierter Stau bedeutet aber auch mehr Schadstoffe.

Natürlich. Die Städte argumentiere, wir wollen die Schadstoffe lieber vor, als in der Stadt haben. Das Gemeine an den Schadstoffen ist aber: Sie scheren sich einen Dreck um Stadtgrenzen. Untersuchungen belegen, dass etwa in Berlin oder Köln fast die Hälfte der innerstädtischen Schadstoffe von außerhalb stammen. Deswegen sagt der ADAC: Diese Pförtnerampeln dienen allenfalls einer kurzsichtigen Verdrängungspolitik, nicht aber der Gesamtproblematik.

Was wäre besser?

Der ADAC hat im November ein Telematiksystem zum so genannten Parkplatzsuchverkehr vorgestellt. In Spitzenzeiten macht dieser Verkehr bis zu 40 Prozent in den Ballungsräumen aus. Um ihn zu reduzieren, erhebt das System alle Daten aus den innerstädtischen Parkhäusern. Via Internet kann der Autofahrer diese Daten auf seinem Bordcomputer abrufen und rausfinden, wo es freie Parkplätze gibt. Wer, statt zu suchen, direkt ins Parkhaus fährt, spart Schadstoffemissionen.

Allerdings steht diesem System der knausrige Autofahrer im Wege, der eher sucht als zahlt.

Das stimmt. Deshalb kann das System nur dort funktionieren, wo es ein professionelles Parkraummanagement gibt – wo also alle Parkflächen bewirtschaftet sind. Saarbrücken ist da beispielsweise vorbildlich.

Der Dieselrußfilter würde die Städte erheblich entlasten.

Der ADAC hält den Partikelfilter für eine unabwendbare Grundausstattung jedes neuen Dieselautos. Den Deutschen Autobauern wird immer wieder Innovationsfreude zugeschrieben. Die kann ich nicht mehr sehen. Die Franzosen haben uns den Rang abgelaufen – sie statten ihre Modelle serienmäßig mit Partikelfiltern aus. Wenn es dann erste Fahrverbote gibt, werden deutsche Dieselautos ein klares Verkaufsproblem bekommen. Und während hier noch über diese Filter debattiert wird, sind die französischen Autobauer schon wieder weiter.

Nämlich?

Sie entwickeln gerade die Tagfahrleuchte. Aus Gründen des Fußgängerschutzes debattiert die EU ein Gebot, generell mit Licht zu fahren – damit Fußgänger Autos schneller wahrnehmen. Die Franzosen haben dafür jetzt eine spezielle Beleuchtung entwickelt – die Tagfahrleuchte.

Braucht man die?

Nicht zwingend. Wer aber sein normales Scheinwerferlicht einschaltet, beleuchtet auch Armaturenbrett und Rücklicht. Das ist aber nicht notwendig, weil es ja nur darum geht, vorn ein Signal zu haben. Nach unseren Berechnungen verbraucht Komplettbeleuchtung 0,2 Liter Sprit pro 100 Kilometer und emittiert dadurch natürlich mehr Schadstoffe. Mit der französischen Entwicklung minimiert sich das.

Sind die deutschen Autobauer schuld, dass es bald Fahrverbote gibt?

Zunächst werden die Kommunen versuchen, Fahrverbote zu umgehen. Denn das ist natürlich eine hoch brisante politische Entscheidung, die keiner gern verantworten möchte. Dennoch glaube ich, dass in nicht all zu ferner Zukunft die ersten Städte gezwungen werden, diesen drastischen Schritt zu gehen. Autobauern und Autofahrern muss klar werden: Wir haben ein Problem, das wir nicht mit bloßen Appellen, sondern nur gemeinsam lösen können.

INTERVIEW: NICK REIMER