Debatte ja, Wahlkampf nein

NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück möchte Wahlkampf ohne eine Debatte über das Schulsystem machen. SPD-Abgeordnete wollen zwar inhaltliche Auseinandersetzung, aber keinen Wahlkampf

VON ELMAR KOK

Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) fürchtet eine Auseinandersetzung über die Reform des dreigliederigen Schulsystems mehr, als die Landtagsabgeordneten seiner Partei. Während dem Regierungschef das Thema zu heiß für den Landtagswahlkampf ist, haben sozialdemokratische Abgeordnete keine Angst vor einer Auseinandersetzung. „Die Zeit der ideologischen Debatte um eine Einheitsschule ist vorbei“, sagt Hans Frey, Bildungspolitiker der SPD im Düsseldorfer Landtag. Der stellvertretende Vorsitzende des Landtagsausschusses für Schule und Weiterbildung sagt, die Diskussion um die Schulformen in NRW sei momentan „ein ganz zentrales Thema“. Schließlich könne sich das Land die Dreigliedrigkeit mit Haupt-, Realschule und Gymnasium nicht mehr leisten.

Frey fürchtet keine Debatte um die „Einheitsschule“, wie CDU und FDP die Idee des gemeinsamen Unterrichts aller Schüler bis zur Sekundarstufe II nennen will. Nach dem PISA-Ländervergleich habe die Sozialdemokratie gute Argumente für eine Reform. „Wenn man sich die internationale Landschaft ansieht, haben wir gute Zeugen“, sagt Frey. Beim PISA Bildungsvergleich hatten besonders die Schüler derjenigen Länder gut abgeschnitten, die über einen langen Zeitraum gemeinsam beschult werden. Die frühe Verteilung von Schülern auf verschiedene Schulformen soll ein gutes Abschneiden deutscher Schüler beim Ländervergleich verhindert haben. „Wir leisten uns eine Struktur, die viel Potenzial verschleudert“, sagt Frey dazu.

Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in NRW fordert, dass eine Reform des Schulsystems weiter auf der Agenda steht. „Es ist dringend erforderlich, dass das Thema in der Gesellschaft diskutiert wird“, sagt Norbert Müller, stellvertretender Vorsitzender des GEW in NRW. Es gehe darum, „einen Einstieg in die Verringerung der Selektion zu finden“, sagt Müller.

Für die FDP im Land führt die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems zu „sozialistischem Einheitsbrei“, den eine deutliche Mehrheit im Land ablehnen werde, wie Ingo Wolf, Fraktionschef der Liberalen im Düsseldorfer Landtag, glaubt.

Schulministerin Ute Schäfer (SPD) will wegen solcher Äußerungen vor der Landtagswahl auf eine Auseinandersetzung um die Schulsystem-Reform verzichten. Sie warnte gestern in einer Duisburger Hauptschule vor einer „polemisierenden und ideologischen Debatte“.

Auch Karsten Rudolph, SPD-Landtagsabgeordneter und Vorsitzender der Bildungskommission der Landespartei, warnt vor einer ideologisierten Debatte. „Die Opposition sucht nach Kulturkampf-Themen“, sagt er. Letztlich sei eine Reform des Schulsystems nur im Dialog mit der CDU zu erreichen, da die Hauptschule in der Landesverfassung garantiert sei. Trotzdem werde eine Reform des Schulsystems in der Partei weiter diskutiert, „denn in der SPD gibt es keine Tabus.“ Allerdings dürfe die SPD nicht nächste Reformdebatte anfangen, sagt Rudolph. Wenn die Schulreform zum Wahlkampfthema gemacht werde, gebe es eine Kampagne, die die SPD im Wahlkampf nicht durchhalte. „Dann stellt die CDU Tische auf, an denen die Leute für den Erhalt ihrer Schule unterschreiben sollen!“