Pleiteonkels suchen Patenkinder

Die Kommunen der Region übernehmen Patenschaften für die von der Flutkatastrophe betroffenen Gebiete in Asien. Hilfe soll so nachhaltig gesichert werden – wenn auch ohne Haushaltsmittel

VON KLAUS JANSEN

Die Städte in der Region wollen den von der Flutkatastrophe in Asien betroffenen Regionen helfen, obwohl sie kein öffentliches Geld in die Hand nehmen können. Zahlreiche Kommunen folgen dem Aufruf von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und übernehmen Patenschaften im Katastrophengebiet.

Die Aktionen docken oft an bereits bestehende Kontakte an: Die Stadt Bielefeld, in der es seit Jahren eine etwa 1.000-köpfige Community tamilischer Bürgerkriegs-Flüchtlinge gibt, konzentriert ihre Hilfe beispielsweise auf die Stadt Mullaittivu im Tamilengebiet im Nordosten Sri Lankas. 3.500 der 5.000 Einwohner Mullaittivus sind durch Tsunami und Flutwelle ums Leben gekommen, nun gehen Bielefelder Ratsmitglieder mit der Spendendose durch die Innenstadt. 18.000 Euro sind so seit Freitag bereits zusammen gekommen. Mit den ostwestfälischen Exil-Tamilen arbeitet die Stadt zusammen: „Es ist gut, dass gerade dort geholfen wird. Internationale Hilfe kommt in unserer Heimat schlecht an, weil die singalesische Regierung nichts tut“, sagt Sivasothy Varatharajah vom Tamilischen Kultur- und Bildungsverein in Bielefeld. Auch in Hattingen unterstützt eine tamilische Gemeinde die Stadt: Mit den Spenden der Bürger wird ein Krankenhaus in der Stadt Kilinochi aufgebaut.

Ziel der Aktionen ist es, den Kontakt zu den Katastrophengebieten auch dann nicht abreißen zu lassen, wenn Betroffenheit und Spendenbereitschaft der Bevölkerung sinken. „Noch ist das ein Selbstläufer, die Kunst ist es, langfristig Hilfsbereitschaft zu generieren“, sagt der Duisburger Stadtsprecher Josip Sosic, dessen Kommune Städte in Sri Lanka und Thailand unterstützt.

Zu Städtepartnerschaften im eigentlichen Sinne kommt es allerdings nicht: „Dann müsste man Flüge, Büros, einen ganzen Apparat finanzieren“, sagt der Duisburger Sosic. Haushaltsmittel haben die klammen Kommunen dafür nicht übrig. „Das ist nicht machbar“, sagt Martin Lehrer, Sprecher des nordrhein-westfälischen Städte- und Gemeindebundes. Also sind die Städte kreativ: Essen etwa spendete 15.000 Euro Verwarnungs- und Bußgelder an die singalesische Stadt Galle.

Auch wenn die Beträge angesichts der bereits an große Hilfsorganisationen gespendeten 390 Millionen Euro gering scheinen, halten Experten die kommunalen Patenschaften für den richtigen Weg, um langfristige Hilfe zu ermöglichen. Nur durch einen Bezug zu konkreten Projekten könne man das Interesse der Deutschen an der Krisenregion aufrechterhalten, heißt es. „Wichtig ist, dass die lokalen Organisationen durch direkte Kontakte eingebunden werden“, sagt Indonesien-Experte Heiner Dürr, emeritierter Geograf der Ruhr-Universität Bochum. Ein Projektbezug helfe auch zu verhindern, dass Hilfsmittel in den oft korrupten Regimen in Südostasien versickern. „In fast jedem Dorf halten Leute die Hand auf. Da ist es wichtig, dass auch Fachleute aus Deutschland präsent sind“, so Dürr.

Entwicklungshilfe-Experte Niklas Reese vom Essener Asienhaus plädiert hingegen dafür, vor allem der Zivilgesellschaft vor Ort die Korruptions-Kontrolle zu überlassen. Dass Spenden nun stärker fokussiert werden sollen, hält er für „entwicklungspolitisch sinnig“. Er hofft, dass die ohnehin vielfach unterentwickelten Regionen in Südostasien noch länger im Blick der weltweiten Öffentlichkeit bleiben: „Man kann nicht so tun, als seien die Opfer einer Naturkatastrophe legitime Arme, und alle anderen um sie herum nicht.“