Schwarzgelb hat Angst vor Einheitsschule

Im schleswig-holsteinischen Wahlkampf beginnt die Phase der Demagogen: Während die CDU mal wieder Unterschriften sammelt, um Deutschland zu retten, sieht die FDP schon den Sozialismus zurückkehren

Einen Tag lang konnten Schleswig-Holsteiner im Internet abstimmen, ob sie für oder gegen die von Rot-Grün geplante Einheitsschule bis zur zehnten Klasse sind. Dann nahm die CDU die Unterschriftenaktion gestern wieder von ihren Seiten: 72,2 Prozent hatten mit Ja und nur 27,7 Prozent mit Nein gestimmt. Für die Christdemokraten kein Beweis, dass das Wahlvolk anders denkt als die Partei, die so gerne am 20. Februar das Ruder übernehmen würde, sondern ganz klar Sabotage: „Wir haben eindeutige Hinweise, dass die Abstimmungsmöglichkeit im Internet massiv vom politischen Gegner missbraucht wurde“, sagte der Wahlkampfkoordinator der Union, Jörg Max Fröhlich. Er sei sicher, dass eine große Mehrheit der Schleswig-Holsteiner sehr wohl die Einheitsschule ablehne. Tatsächlich bekannte sich der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion dazu, sich an der Umfrage beteiligt zu haben.

Wer sich dennoch vor der Einheitsschule als Hort sozialistischer Gleichmacherei gruseln möchte, kann noch auf die Seiten des Möchtegern-Koalitionspartners FDP zurückgreifen. Die setzt in einer Internet- und Postkartenkampagne Einheitsschule mit Einheitspartei gleich: Im Symbol des SED-Parteiabzeichens greift eine rote Hand eine grüne, darunter der Slogan „Keine Einheitsschule“. Prompt kam der Konter: Lothar Hay (SPD) erklärte, mit dieser Aktion stelle sich die FDP „auf eine Stufe mit den politischen Brunnenvergiftern der rechten Szene“.

Wie sich bereits im Herbst abzeichnete, wird das Thema Bildung eines der heißesten im Wahlkampf. Grundüberzeugungen stehen gegeneinander – hier gleiche Bildung für alle in einer gemeinsamen Schule, vertreten von SPD und den Grünen, dort „jeder nach seinen Fähigkeiten“ und Eingangstests, gewünscht von CDU und FDP. Beide Seiten argumentieren identisch: Es gehe um das Wohl der Kinder und um die Pisa-Studie. „Eine Einführung der Einheitsschule lässt sich aus Pisa nicht ableiten“, erklärte CDU-Spitzenkandidat Peter Harry Carstensen und der Bildungsexperte seines „Kompetenzteams“, Jost de Jager. „Zu doof für Pisa!“, schossen Anne Lütkes und Robert Habeck (Grüne) zurück. Die Partei der dänischen Minderheit, der SSW, verwies, wie üblich, auf das skandinavische Vorbild, wo in einer ungeteilten Schule durchaus differenzierter Unterricht erteilt werde.

Die SPD hatte schon im Herbst das Volk nach seiner Meinung zur Schulpolitik gefragt. Seit sich dabei eine Mehrheit für die gemeinsame Schule fand, vertreten die Sozialdemokraten ihr Modell ganz offensiv und überholen sogar die Grünen, die sich für „9 macht klug“, also neun gemeinsame Schuljahre aussprechen. Die SPD erhöhte gelassen auf zehn. E. Geißlinger